Barcelona: Hauptverdächtiger noch flüchtig?

19.8.2017, 13:30 Uhr

Ein Pärchen sitzt in den frühen Morgenstunden vor niedergelegten Rosen und Kerzen auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona (Spanien). Auf der Straße war am Donnerstag ein Lieferwagen in eine Menschenmenge gefahren. Bei dem Terroranschlag wurden mehrere Menschen getötet und viele verletzt. © Matthias Balk/dpa

Nach der Terrorattacke mit einem Lieferwagen in Barcelona ist der Haupttäter möglicherweise noch auf freiem Fuß. Die Polizei äußerte Zweifel, dass der bisherige Hauptverdächtige tatsächlich der Fahrer des Tatfahrzeugs war. "Es ist eine Möglichkeit. Aber zu diesem Zeitpunkt (...) verliert sie an Gewicht", sagte der katalanische Polizeichef Josep Lluís Trapero am Freitagabend in einem Fernsehinterview.

Der 17 Jahre alte Moussa Oukabir war nach Angaben der Polizei zusammen mit vier anderen Verdächtigen in der Nacht zum Freitag bei einem Antiterror-Einsatz in Cambrils rund 100 Kilometer südlich von Barcelona erschossen worden. Es gebe derzeit keine "ausreichenden Beweise", dass Oukabir den Lieferwagen auf der Touristenmeile Las Ramblas in Passanten gesteuert habe. Offen sei auch, wie er nach der Tat von Barcelona nach Cambrils gelangt sein könnte.

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Polizei vermutet Netzwerk von zwölf Verdächtigen

Bei der Attacke in Barcelona am Donnerstag waren mindestens 13 Menschen getötet worden. Eine Frau starb zudem nach einem vereitelten Angriff in der Küstenstadt Cambrils. Medienberichten zufolge richtet sich die Aufmerksamkeit der Polizei auf einen derzeit flüchtigen 22 Jahre alten Marokkaner. Dabei handele es sich um den Bruder eines der getöteten Terrorverdächtigen von Cambrils.

Demnach stammt er aus Ripoll rund 100 Kilometer nördlich von Barcelona. Der Gesuchte war unbestätigten Berichten zufolge möglicherweise Richtung Frankreich unterwegs. Er könnte die spanisch-französiche Grenze bereits passiert haben. Die Ermittler gehen derzeit von einem Netzwerk von zwölf Verdächtigen aus. Fünf von ihnen wurden in Cambrils getötet, vier wurden festgenommen. Drei weitere sind noch nicht gefunden. Einer oder zwei von ihnen könnten bei der Explosion in dem Wohnhaus in Alcanar am Mittwoch umgekommen sein.

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) legt auf der Flaniermeile Las Ramblas in Barcelona (Spanien) Blumen in Gedenken an die die Opfer des Terroranschlags nieder. © Matthias Balk/dpa

Die Beamten vermuten, dass die Gruppe dort Sprengstoff für ein noch größeres Attentat als das in Barcelona vorbereitete. Die Polizei durchsuchte am Samstagmorgen in der Stadt Ripoll nördlich von Barcelona das Haus eines Imam. Die Sicherheitskräfte hätten nach DNA-Proben gesucht, berichtete die Zeitung El País unter Berufung auf Polizeikreise.

Es gebe die Vermutung, dass es sich bei einer der beiden Leichen, die in der von einer Explosion zerstörten Wohnung in Alcanar gefunden worden waren, um den muslimischen Geistlichen handeln könnte. Die Terrorzelle soll laut Polizei den Anschlag auf dem Boulevard Las Ramblas und den vereitelten Anschlag von Cambrils in der Wohnung geplant haben, wo es am Mittwoch zu einer Explosion gekommen war.

Außenminister Gabriel besuchte Deutsche im Krankenhaus

Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) legte am Samstag weiße Rosen an der weltberühmten Flaniermeile nieder, wo am Donnerstag 13 Menschen getötet und mehr als 120 verletzt worden waren, als ein Lieferwagen in Passanten raste. Unter den Verletzten sind auch 13 Deutsche. Gabriel hatte bereits am Freitag ein Krankenhaus besucht und mit einer jungen Deutschen gesprochen, die bei dem Anschlag verletzt wurde, sowie mit Angehörigen.

Zwei Frauen liegen in dem Hospital noch auf der Intensivstation. Beide schweben in Lebensgefahr. Eine Frau im mittleren Alter befindet sich in einem sehr kritischen Zustand. Die Polizei ordnete beide Vorfälle einer mutmaßlichen, aus zwölf Mitgliedern bestehenden Islamisten-Zelle zu – genau wie die Gas-Explosion mit möglicherweise zwei Toten am Mittwoch in einem Wohnhaus in dem Ort Alcanar.

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) reklamierte die Attacke von Barcelona für sich, es ist aber noch nicht erwiesen, ob sie tatsächlich dahinter steckt.

Seit vergangenem Sommer war es in Europa wiederholt zu Anschlägen mit Fahrzeugen gekommen. Auch bei einer Messerattacke in Finnland geht die Polizei von einem terroristischen Hintergrund aus. Die Tat werde als Mord mit "terroristischem Vorsatz" behandelt, gaben die Ermittler am Samstag bekannt.

Bei dem Angriff in der Innenstadt von Turku im Südwesten des Landes waren am Freitag zwei Menschen getötet worden. Nach Polizeiangaben ist der Verdächtige ein 18 Jahre alter Marokkaner, der von der Polizei angeschossen wurde und im Krankenhaus liegt. Das genaue Motiv des Täters war zunächst unklar.