Eklat im Landtag: SPD-Politikerin prangert Sexismus an

14.6.2020, 16:17 Uhr

Die SPD-Politikerin Nadine Julitz machte in ihrer Rede im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern auf Sexismus in der Politik aufmerksam.  © Screenshot Facebook

Die SPD-Landtagsabgeordnete Nadine Julitz (29) wehrt sich gegen Sexismus im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Auslöser war ein Kommentar des AfD-Abgeordneten Jens-Holger Schneider (49) Mitte Mai. Als Julitz in einer Landtagssitzung zum Rednerpult ging, sagte der AfD-Politiker, laut Julitz mit "halblauten Worten", "Na das Kleid ist aber ganz schön knapp". Für Julitz, die ein rotes, knielanges und hochgeschlossen Sommerkleid trug, eine inakzeptable Bemerkung.

Mit emotionalen Worten wandte sich Julitz am Mittwochabend, rund einen Monat später, an Teile des Parlaments. "Ich werde kurz erklären, was der Unterschied zwischen einem Kompliment und Sexismus ist", begann Julitz ihre Rede. Nachdem Jens-Holger Schneider ihr Kleid kommentierte, hätten alle, die seine Worten verstanden hatten, "ausschließlich Männer, mir auf den Arsch geguckt. Ich musste das ertragen. Die Bemerkung mit dem Kleid ist kein Kompliment, das ist Sexismus", verurteilte Julitz den Spruch.

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Den Unterschied würden allerdings viele noch nicht kennen, sagte sie und verließ das Rednerpult. Für ihre persönliche Erklärung erhielt Julitz Beifall von einem großen Teil des Parlaments. Das Landtagspräsidium wies im Verlauf der Sitzung am Mittwoch und Donnerstag mehrmals darauf hin, dass sich die Abgeordneten doch bitteschön nicht über Kleidung oder Kleidungsstile von Parlamentskollegen zu äußern hätten.

Der AfD-Politiker Schneider bestätigt den Vorfall gegenüber der Zeitung Bild am Sonntag. Auch das Sitzungsprotokoll, dass der Bild vorlegt, belegt zustimmendes Gemurmel aus den Reihen der AfD-Fraktion, als Julitz den Satz wiederholte. Schneider sagt gegenüber der Bild am Sonntag: „Ja, ich habe die Länge von Frau Julitz‘ Kleid kommentiert, den genauen Wortlaut weiß ich nicht mehr. Die Aussage bezog sich aber auf die Angemessenheit der Kleidung von Frau Julitz im Parlament und war an meine Parteikollegen gerichtet. Ich bin eben altmodisch und durchaus konservativ, Sexismus liegt mir aber völlig fern.“



Das Video ihrer Rede teilte Julitz auf Instagram und Facebook. Sie schrieb zu ihrem Posting: "Heute wurde mir erklärt, dass ich ein nettes Kompliment bekommen habe. Mir blieb heute nichts anderes übrig, als mit einer persönlichen Erklärung zur Aufklärung beizutragen. Ich fürchte, wir müssen dran bleiben, es hat bestimmt nicht gefruchtet."

Im SPD-Parteimagazin "vorwärts" sagt Julitz in einem Interview, sie sei von der Resonanz überwältigt gewesen. Sie wurde in den letzten Tagen mehrfach für ihren Mut gelobt, was sie allerdings beschämend fand, wie sie erzählte. "Es geht ja eigentlich nicht um meinen Hintern. Ich bin nur ein Stellvertreterbeispiel dafür, was leider in Deutschland tägliche Realität ist", sagte sie.

Unter den Kommentaren auf ihren Social-Media-Seiten mischt sich aber auch Kritik: "Immer diese Sexismus Schublade von Frauen die ein Aufmerksamkeits-Defizit haben" oder "Zieh dir mal was anderes an, es gibt auch einen Dresscode", waren noch die netteren Kommentare, die laut Profilbeschreibung überwiegend von Männern geschrieben wurden.

Für Julitz sei es wichtig gewesen, den Fall öffentlich zu machen. Dies sei zentral, wenn man etwas dagegen tun will. "Sexismus anzuprangern ist nie verkehrt, egal von wem", sagt sie.



Sie zieht auch Parallelen zum Video "Männerwelten". Mitte Mai sorgten die beiden TV-Moderatoren Joko Winderscheid und Klaas Heufer-Umflauf mit einem Video für große mediale Aufmerksamkeit. In ihrer Sendung "15 Minuten" thematisierten sie verschiedene Formen von Sexismus bis hin zu Vergewaltigungen und ließen unzählige Frauen von ihren Erlebnissen erzählen. "Ich hatte Tränen in den Augen. Alle Frauen wurden ziemlich als erstes gefragt, was sie angehabt hätten, als die vergewaltigt wurden. Das finde ich ungeheuerlich und beschämend", so Julitz.