Interview mit Ilse Aigner

K-Frage: "Ich verstehe, dass Söder enttäuscht war"

12.7.2021, 20:49 Uhr

Redaktionsbesuch in Nürnberg: Ilse Aigner beim Interview. © Günter Distler, NNZ

Frau Aigner, unsere Region wurde heftig vom Hochwasser getroffen. Wie schnell und unbürokratisch kann der Freistaat den Opfern helfen?

Ilse Aigner: Zum einen bin ich den vielen Rettungsorganisationen dankbar, die schon sehr unbürokratisch geholfen haben. Gut, dass wir diese Strukturen haben! Zum anderen: Der Staat investiert momentan sehr viel in Hochwasserschutz. Ich selbst kenne solche Situationen sehr gut, bei uns gibt es oft Hochwasser. Polder sind da ein sehr wirksames Instrument für besseren Schutz.

Tut die Politik – im Freistaat, aber auch in den Kommunen – genug, um sich auf solche Folgen des Klimawandels einzustellen?

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Ilse Aigner: Natürlich gerät das zunehmend in den Blick, weil Extremwetterlagen immer häufiger vorkommen – und auch lokal auftreten und große Schäden anrichten. Diese Folgen des Klimawandels müssen in den Bauleitplanungen stärker berücksichtigt werden. Eine Aufgabe, über die sowohl der Freistaat als auch Landkreise und Kommunen sehr stark nachdenken.

Sie hätten Markus Söder in Bayern als Ministerpräsidentin beerben können. Sind Sie enttäuscht, dass Söder gegen Laschet verloren hat?

Ilse Aigner: Nein. Markus Söder ist ein herausragender Ministerpräsident. Und in der Phase wurde viel spekuliert, da ist auch mein Name gefallen. Hätte, hätte, Fahrradkette – es passt so, wie es ist. Markus Söder macht einen hervorragenden Job – und ich einen ganz passablen als Landtagspräsidentin, deshalb ergänzen wir uns wunderbar.

Von Ihnen stammt aber auch die Aussage, dass dem Land eine Frau an der Spitze guttun würde…

Ilse Aigner: Das habe ich aber allgemein gesagt, am Nockherberg. Es entspricht jedoch meiner grundsätzlichen Meinung: Ich halte für jede Position auch Frauen für geeignet.

Apropos Frauen in Spitzenpositionen: Die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kriegt’s gerade so richtig ab… Hat das etwas mit dem Geschlecht zu tun?

Ilse Aigner: Nein. Sie hat Fehler gemacht, die hat sie auch eingeräumt. Wichtiger als die Auseinandersetzung mit diesem Buch ist: Worum geht es Frau Baerbock inhaltlich? Und da sind manche Themen dabei, die die Menschen umtreiben. Man kann viel über Verbote von Kurzstreckenflügen philosophieren – aber da geht es nicht nur um die Strecke München-Berlin, sondern auch um Flüge innerhalb Europas, um beispielsweise zu Freunden zu fliegen. Und da horchen nun schon manche auf. Was Grüne und CSU grundsätzlich trennt: Die Grünen wollen alles über Verbote regeln oder über Moral – wir setzen auf Anreize, Eigenverantwortung und Technologie.

Wie sehr hat Söder die Niederlage gegen Laschet getroffen?

Ilse Aigner: Er hat ja mittlerweile selbst gesagt, dass er enttäuscht war. Und ich verstehe das auch. Wer nach so einer Diskussion nicht selbst enttäuscht und vielleicht auch verletzt ist, der muss ein Übermensch sein. Ich finde gut, dass er das eingeräumt hat. Jetzt müssen wir nach vorne schauen, es wird ein schwieriger Wahlkampf, da zählt Geschlossenheit. Gerade bei der Union wird Streit nicht goutiert. Daher: Gemeinsam volle Kraft voraus!

Auch mit Armin Laschet…

Ilse Aigner: Selbstverständlich. Ich kenne Armin Laschet sehr, sehr lange. Er wird vielfach unterschätzt. Aber wer in Nordrhein-Westfalen mit einer Stimme Mehrheit und der FDP in der Koalition regiert, der kann die unterschiedlichen Enden zusammenbinden.

Medien berichten, dass Sie eine mögliche Kandidatin fürs Schloss Bellevue sind. Die erste Bundespräsidentin - würde Sie das reizen?

Ilse Aigner: Das ist ein reines Medien-Thema. Ich bin irgendwann mal als eine unter vielen genannt worden. Aber ich halte Spekulationen über dieses Amt für vollkommen unangemessen und bin darüber wirklich unglücklich. Diese Diskussion kommt zur Unzeit. Wir haben einen Bundespräsidenten, den ich auch persönlich sehr schätze. Und man darf dieses Amt nicht zum Wahlkampfthema machen. Daher: keine Spekulationen meinerseits.

Sie sind als Landtagspräsidentin während der Hochphase von Corona einem beinahe machtlosen Parlament vorgestanden. Waren das frustrierende Monate, als es ausschließlich ums Abnicken der Regierungsbeschlüsse ging?

Ilse Aigner: Ich teile Ihre Einschätzung so nicht. Natürlich ist in Krisenzeiten immer die Exekutive sichtbarer und in der unmittelbaren Verantwortung. Da geht es auch um Schnelligkeit. Aber wir hatten unzählige Debatten, Anträge, Regierungsbefragungen – allein elf Regierungserklärungen des Ministerpräsidenten. Und dazu ein klar geregeltes Verfahren, um über die Regierungspolitik abzustimmen. Wer sagt: Der Landtag ist entmachtet, der spielt ein Stück weit denen in die Hände, die von einer Corona-Diktatur sprechen.

Stichwort Corona-Diktatur: Wie gehen Sie mit Menschen um, die Verschwörungstheorien folgen? Wie kann man die erreichen?

Ilse Aigner: Das hängt etwas vom jeweiligen Stadium ab. Wenn jemand schon ganz tief in seiner Filterblase steckt und sich nur noch aus einschlägigen Quellen informiert, dann kommt man an solche Menschen kaum noch heran. Daher ist es wichtig, frühzeitig klar und transparent zu kommunizieren – mit möglichst vernünftigen Fakten. Oder einfach mal auch nur zuhören, was die Menschen bedrückt. Das ist schwierig. Und Verschwörungstheorien haben durch die sozialen Medien eine ganz andere Dynamik bekommen.

Corona hat die Polarisierung im Land verschärft, manche rufen nach einer Art Versöhnungs-Kommission. Braucht es so etwas, um die Menschen wieder zusammenzuführen?

Ilse Aigner: Die Versöhnung muss im persönlichen Umfeld stattfinden – die Risse gehen ja bis in Familien hinein. Ich glaube, dass wir trotz aller Schwierigkeiten gut durch die Krise gekommen sind – was die Infektionszahlen betrifft und auch die wirtschaftlichen Schäden. Was jetzt besonders wichtig ist, das sind die Kinder und Jugendlichen. Schulen, Universitäten, Kindergärten müssen möglichst offen bleiben – weil sonst soziale Schäden entstehen, die man vielleicht nicht mehr beheben kann.

Dieses Bekenntnis – mehr tun für Kinder und Jugendliche – hört man selten. Da gibt es doch eine Generationen-Ungerechtigkeit: Es wurde aus guten Gründen sehr viel für die Älteren getan, für die Jungen aber nicht.

Ilse Aigner: Ich habe den Eindruck nicht. Es war auch immer das Ziel von Markus Söder, die Schulen mehr in den Fokus zu nehmen als etwa die Gasthäuser die wir alle natürlich auch sehr schätzen. Ich glaube, dass sich dieser Herbst grundsätzlich vom letzten Herbst unterscheiden wird – weil die Möglichkeit der Impfung da ist und jedem ein Impf-Angebot gemacht werden kann.