Kommentar: Der Wahl-O-Mat ist mit Vorsicht zu genießen

3.5.2019, 11:06 Uhr

Die SPD steht für das Soziale. Die Union für sichere Grenzen. Klar, oder? Wer die vergangenen Jahre nicht auf einer einsamen Insel ohne Internetanschluss verbracht hat, wird da so seine Zweifel anmelden. Zweifel, ob die SPD nach Gerhard Schröder, nach Hartz IV tatsächlich noch so klar für "das Soziale" steht - und die Union nach Merkels Flüchtlingspolitik im Jahr 2015 tatsächlich für "sichere Grenzen".

Bei Selbstbeschreibungen von Parteien, wie sie diese etwa in ihren Wahlprogrammen vornehmen, ist also Vorsicht geboten. Jeder, der das politische Geschehen verfolgt, wird diese Zuschreibungen automatisch abklopfen auf das, was die Partei in der Vergangenheit tatsächlich erreicht oder wofür sie überzeugend gekämpft hat.

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Dieser Kontext fehlt beim Wahl-O-Mat. Das beliebte Frage- und Antwort-Tool fußt ausschließlich auf den Aussagen der Parteien. Das ist einerseits verständlich, weil Bewertungen tatsächlicher Politik immer auch Ansichtssache sind - und sich die Bundeszentrale für politische Bildung nicht dem Vorwurf ausgesetzt sehen will, parteiisch zu sein. Andererseits erfährt die Aussagekraft des Wahl-O-Mat-Ergebnisses dadurch eine erhebliche Schwächung.

Wer seine Wahlentscheidung tatsächlich auf den Wahl-O-Mat gründet, begibt sich also auf äußerst dünnes Eis. Er geht die Gefahr ein, sich blenden zu lassen von dem, was die Parteien über sich selbst schreiben. Wer eine vernünftige Wahlentscheidung treffen will, sollte sich auf andere Quellen stützen, auf kritischen Journalismus zum Beispiel. Der Wahl-O-Mat ist eine Spielerei, mehr nicht.