Kommentar: Die CSU beraubt sich einer Chance

18.10.2018, 11:49 Uhr

Ja, es stimmt: CSU und Freie Wähler stehen sich inhaltlich sehr nahe. Die vorhandenen Differenzen sollten lösbar sein - zum Beispiel bei der Verringerung des Flächenverbrauchs oder dem Bau von Skischaukeln im Allgäu.

Das wäre bei den Grünen ganz anders - zum Beispiel bei der so symbolträchtigen Sicherheitspolitik. Das umstrittene Polizeiaufgabengesetz wäre mit ihnen in der im Mai verabschiedeten Form sicher nicht zu halten. Die CSU müsste sich, nicht nur in diesem Punkt, von etlichen liebgewonnen Positionen verabschieden.

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Mit anderen Worten: Sie müsste sich erneuern. Aber: Wollte sie das nicht auch? Es gab schließlich ein desaströses Wahlergebnis für sie, und nach den ersten Analysen war klar: Die Partei muss Frauen verstärkt in den Vordergrund stellen und in den Großstädten mehr Wähler finden. Denn gerade hier hat die Partei ihre Fähigkeit verloren, das Ohr nahe an den Menschen zu haben - auch bedingt durch viele Zuzüge aus anderen Bundesländern, die mit einer speziellen bayerischen Identität nichts anfangen können.

Typische Klientelpolitik für Landwirte

Es lässt sich an einem Beispiel gut verdeutlichen. Vor fünf Jahren wurde beschlossen, die Ferkelkastration ohne Betäubung durch ein Bundesgesetz zu verbieten  - mit einer Übergangsfrist, die Ende dieses Jahres ausläuft. Eigentlich. Denn die CSU macht sich jetzt in der Großen Koalition für eine Verlängerung stark. Es geht um ein paar Euro, die eine schmerzfreie Behandlung mehr kosten würde.



Das ist typische Klientelpolitik für Landwirte. Auf viele andere Menschen, gerade in den Städten, wirkt das zumindest unverständlich, wenn nicht sogar abstoßend. Schließlich werden dadurch Schweinen noch länger überflüssige Schmerzen zugefügt - mit dem Gedanken des Tierschutzes nicht zu vereinbaren. Und die Züchter hatten wirklich genug Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Mit den Grünen als Partner würden solche Zugeständnisse, jedenfalls auf Landesebene, der Vergangenheit angehören. Mit den Freien Wählern dagegen werden sie weitergehen - denn auch sie sind besonders in der Fläche verwurzelt, weniger in den Städten.

Das alles ist durchaus legitim, keine Frage. Aber für das Werben um mehr Stimmen in München oder Nürnberg, Würzburg oder Regensburg ist es eher kontraproduktiv. Ob der CSU unter diesen Umständen die so dringend nötige Erneuerung gelingt, darf durchaus bezweifelt werden.