Kommentar zum Brexit: Scheiden tut weh!

24.6.2016, 10:50 Uhr

Boris Johnson hat gut lachen: Der ehemalige Bürgermeister Londons ist einer der prominentesten Brexit-Befürworter. © dpa

Den 24. Juni 2016 wird man sich merken müssen. Als den Tag, an dem die EU in ihren Grundfesten erschüttert worden ist, als ein Datum, das die Populisten in vielen Ländern als Feiertag im Kalender markieren und die Realpolitiker als Katastrophe werten werden.

Dass Boris Johnson schon als nächster Premier gehandelt wird, überrascht wenig - letztlich wäre es nur konsequent, dass ein Brexit-Vorkämpfer David Cameron ablöst, der gar nicht anders konnte, als seinen Rücktritt für den Oktober anzukündigen.

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Der Ausgang der Votums darf getrost als Schock bezeichnet werden, die Mehrheit der politischen Eliten auf dem Kontinent, aber auch auf den britischen Inseln, hatten bis zuletzt mit einem knappen Sieg der EU-Befürworter gerechnet. Sie alle hatten gehofft, mit einem blauen Auge davon zu kommen.



Jetzt stehen sie vor einem Scherbenhaufen. Auch wenn sich die Wirtschaftsmärkte wieder erholen werden, werfen allein die künftigen Handelsbeziehungen zwischen Brüssel und London unzählige Fragen auf. Fragen, auf die es am Tag des Brexits keine Antworten gibt. Das gilt auch mit Blick auf die Zukunft Europas.

Zumindest herrscht aber Klarheit, dass ein "Weiter so" als Option für die EU-Technokraten ausscheidet. Die EU, deren Vorläuferorganisationen von unseren Großvätern nicht zuletzt als friedensstiftende Maßnahme nach zwei verheerenden Weltkriegen ins Leben gerufen wurden, hat in den vergangenen Jahren viel von ihrer identitätsstiftenden Wirkung verloren. Daran gilt es intensiv zu arbeiten. Zum Verstand (vernünftig ist der Staatenbund, der künftig nur mehr 27 Mitglieder umfassen wird, allemal) muss auch wieder Herz kommen.

Die EU hat zuletzt viel von ihrem einstigen Charme eingebüßt. Die Briten, die ohnehin noch nie als begeisterte Europäer aufgefallen sind, haben Brüssel für dieses fahrlässige Verhalten nun die Rechnung präsentiert. Schade nur, dass die Zeche längst nicht nur London begleichen muss. Der 24. Juni 2016 wird als schwarzer Freitag in die europäischen Annalen eingehen.

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