Ministerpräsident im Interview

Söder: "Ich bin ausbefördert, ich werde nicht mehr Kanzlerkandidat"

3.9.2021, 06:00 Uhr

Söder schließt einen Wechsel des Kanzlerkandidaten in der letzten Minute aus: "Die Wahlzettel sind gedruckt und die Plakate geklebt." © Sven Hoppe, NNZ

Herr Söder, die Union auf Platz zwei, hinter der SPD – in den Umfragen haben Sie aktuell dreimal so viel Unterstützung wie Ihr Kandidat Laschet und wären klar vor SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Wurmt es Sie, dass es für einen Tausch des Spitzenkandidaten zu spät ist?

Markus Söder: Nein, gar nicht. Es hätte auch keinen Sinn. Die Wahlzettel sind gedruckt und die Plakate geklebt. Jetzt müssen wir alle in der Schlussphase gemeinsam kämpfen und mobilisieren. Es geht um die Grundsatzfrage für unser Land: Gibt es einen Linksrutsch oder bleibt eine bürgerlich geführte Regierung?

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Glauben Sie wirklich, dass eine Linksrutschkampagne noch zieht?

Söder: Es geht nicht um die Neuauflage einer Rote-Socken-Kampagne, bei der wir nur die moralische Keule auspacken und erwähnen, dass die Linkspartei die Nachfolgepartei der SED ist. Es geht vor allem um die Auswirkungen eines solchen Bündnisses: massive Steuererhöhungen, die Arbeitsplätze vernichten; eine geschwächte Bundeswehr und eine gefährdete innere Sicherheit, weil ein linkes Bündnis den Verfassungsschutz auflösen und Stellen bei der Polizei abbauen wird und schließlich einen schwachen Euro, weil ein europäischer Finanzausgleich über Eurobonds kommen würde.

Sie haben eine erneute Kanzlerkandidatur ausgeschlossen. Ist das Ihr Ernst?

Söder: Wir sind in einer epochalen Phase. Nach 16 Jahren mit einer unionsgeführten Regierung kann es sein, dass die Menschen auch über andere Varianten nachdenken. Mir war klar, dass das ein Wimpernschlagfinale wird. Jetzt sind zwei Ergebnisse denkbar. Gewinnt Armin Laschet, tritt er in vier Jahren wieder an. Siegt ein anderer, wird derjenige 2025 an der Macht bleiben wollen. Die Deutschen haben selten einen grundlegenden Richtungswechsel nach nur vier Jahren korrigiert. Für mich ist das damit erledigt.

Wir können festhalten: Es wird keinen Kanzlerkandidaten Markus Söder geben?

Söder: Nach meiner Einschätzung: Ja.

Viele Beobachter glauben, dass Sie die Wahl abgeschrieben haben. Die Umfragen sind auch eindeutig. Ist das eine Chance für die Union, die sich in der Opposition erneuern könnte?

Söder: Franz Müntefering hat das richtig formuliert: Opposition ist Mist. Es wäre eine lange Phase, in der wir keine Gestaltungsoptionen mehr hätten, weil wir nur noch sagen könnten, was wir tun wollen, aber nicht mehr, was wir tun werden. Ich warne aber vor dem Eindruck, es sei alles gelaufen. Es wird sehr knapp, aber es ist noch alles möglich. Das Triell war ein guter Start, weil ich Armin Laschet dort deutlich besser als seine Mitbewerber empfunden habe. Aber es dauert, bis so etwas ins Bewusstsein der Bevölkerung sickert.

In den Umfragen zeigt sich das nicht. Es scheint, dass sich die Wähler festgelegt haben.

Söder: Das sehe ich nicht. Der Wahlkampf der vergangenen Monate war angesichts der ernsten Lage unseres Landes bemerkenswert unernst. Ernst ist die Lage wegen der globalen Klimakrise, wegen Corona, das die Menschen weiter beschwert, und wegen Afghanistan. Die internationale Lage wird instabiler und unsicherer. Und wir haben uns in Deutschland mehr damit beschäftigt, wie Lebensläufe geschrieben werden, wer wann unpassend lacht, und ob die Kanzlerin und ich den Kandidaten ausreichend loben. Über Inhalte haben wir kaum geredet. Aber das werden wir jetzt tun und den Menschen erklären, was ein Linksruck bedeutet.

Sie haben früher die Grünen als Hauptgegner identifiziert. Jetzt ist es die SPD, auch dank der Schwäche der Union. Wie konnte die Union so abstürzen?

Söder: Die Grünen sind in Bayern weiter stark. Die Bevölkerung hält ihre Kandidatin allerdings nicht für kanzlertauglich. Die Schwäche der Grünen ist die Stärke von Olaf Scholz. Deshalb wechseln viele Grünen-Wähler zur SPD. Unsere Herausforderung ist, dass sich das scheinbar in Deutschland auch einige Unionswähler überlegen. Da müssen wir ansetzen. Aber Klimaschutz bleibt für mich ein zentrales Thema. Ich will das in Bayern weiter voranbringen, aber auch in der Union und in ganz Deutschland.

Ihr Duell mit Grünen-Chef Robert Habeck gilt für viele als das eigentliche Kanzlerduell. Für Sie auch?

Söder: Wie das bewertet wird, kann ich nicht beurteilen. Ich fand es spannend und informativ und vom Stil her vernünftig.

Aber es hat Ihnen gut getan.

Söder: Warum?

Weil Sie zeigen konnten, dass Sie der bessere Kandidat gewesen wären.

Söder: Es bleibt dabei: Als CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident bin ich ausbefördert. Es hat auch noch nie einen CSU-Kanzler gegeben. Ich bin mit mir völlig im Reinen. Aber ich stelle mich natürlich jeder Diskussion und helfe mit, dass Armin Laschet und die Union gewinnen. Wichtig ist mir vor allem auch, dass unsere Nürnberger Michael Frieser und Sebastian Brehm wiedergewählt werden, weil sie die Stadt im Bundestag hervorragend vertreten.

Wenn die Union in die Opposition wechseln sollte, braucht sie einen starken Kopf für die Erneuerung. Sind Sie das?

Söder: Ich werbe seit Wochen dafür, dass wir jetzt so gut wie möglich abschneiden. Die CSU wird sicher das beste Unionsergebnis erzielen, aber auch wir können uns nicht vom Bundestrend abkoppeln. Vielleicht hätte zumindest die CSU mit mir in Bayern ein besseres Ergebnis erzielt, aber das ist Schnee von gestern. Wir müssen jetzt klar machen, dass es auf Erst- und Zweitstimme ankommt. Die Zweitstimme ist die Bayern-Stimme. Die CSU kann die bayerischen Interessen in Berlin am besten vertreten. Wer sie der FDP gibt, wählt einen verdünnten Linksrutsch mit einer Ampel. Und die Freien Wähler kommen ohnehin nicht ins Parlament.

Und Ihre künftige Rolle in der Union?

Söder: Als starker Partner im Koalitionsausschuss.

Wie lange mussten Sie üben, bis Sie den Satz sagen konnten: „Ich will, dass Laschet Kanzler wird“?

Söder: Gar nicht. Es ist kurios, was alles diskutiert wird. Das sind diese Albernheiten, die weder die Bürger interessieren, noch die Wahl entscheiden.

Laschet will das Land modernisieren, entbürokratisieren, digitalisieren. Alles richtig. Nur, wer hat regiert seit 16 Jahren?

Söder: Die richtige Frage lautet doch: Wer hat bei diesen Themen den Durchbruch verhindert? Das war die SPD, die in all diesen Fragen der Bremsklotz war. Mit ihrem Bekenntnis, dass sie auf keinen Fall mehr mit der Union regieren will, liegen die Karten jetzt aber auf dem Tisch. Ich halte ein bürgerliches Bündnis von Union und FDP, notfalls auch mit den Grünen, für möglich. Wobei wir den Grünen noch einige Zähne ziehen müssten. Ihr Wahlprogramm ist so bislang nicht koalitionsfähig.

Sie haben in Ihrer Regierungserklärung die Querdenker hart attackiert. Die werden reagieren. Wie gehen Sie damit um?

Söder: Es gibt in der Tat massive Angriffe, Drohungen, Schmähungen. Das beirrt mich nicht persönlich, aber die Demokratie darf sich nicht einschüchtern lassen. Ich reiche jedem die Hand, der beim Impfen skeptisch oder verunsichert ist. Wir müssen viel mehr aufklären. Wer aber bewusst demokratiefeindlich agiert, dem treten wir entgegen. Auch die AfD muss hier endlich ihr Verhältnis zu den Querdenkern klären.

Die AfD tut das nicht.

Söder: Die AfD hat ihren sittlichen Anspruch als Partei in einem Parlament schon dadurch verloren, dass sie Corona grundsätzlich leugnet. Wären wir ihr gefolgt, hätte es das Leben von Hunderttausenden gefährdet.

Sie gehen auf die Impfskeptiker zu. Das war schon anders. Wegen der Wahl?

Söder: Nein. Es ist ein Versöhnungsangebot. Wegen der hohen Impfquote können wir eine neue Balance schaffen zwischen Freiheit, Sicherheit und Eigenverantwortung. Als Sicherheitsnetz haben wir die Krankenhausampel geschaffen. Und wir haben die 3G-Regel. Aber wer sich nicht impfen lassen will, dem muss klar sein, dass die Steuerzahler die Tests nicht dauerhaft für ihn bezahlen.

Wie hilfreich ist es, dass sich Ihr Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger weiter nicht impfen lässt?

Söder: Es ist seine persönliche Entscheidung, die ich respektiere. Aber auch er ruft mittlerweile zum Impfen auf. Damit ist die Sache erledigt.

Was passiert, wenn die Krankenhausampel auf gelb und insbesondere auf rot springt?

Söder: Die Ampel ist sinnvoll, weil sie zeigt, wie sich die Lage in den Krankenhäusern entwickelt. Wenn sie umspringt, werden wir je nach Ausbruchsgeschehen landesweit oder regional Maßnahmen treffen. Die können ein Wechsel zurück zur FFP2-Maske sein, Kontaktbeschränkungen im Privaten oder Obergrenzen bei Veranstaltungen.

Das trifft auch die Geimpften in einer Pandemie der Ungeimpften.

Söder: Nein. Es gibt keinen Lockdown mehr. Geimpfte sind von der Testpflicht befreit. Und Kontaktbeschränkungen dürfen verfassungsrechtlich nicht mehr für sie gelten.

Schließen Sie aus, dass in dieser Notlage 2G kommen wird, ein freies Leben also nur für Geimpfte und Genesene?

Söder: Der Staat wird das nicht verordnen, kann es aber auch nicht verbieten. Unser Konzept ist 3G. Aber jeder Veranstalter kann theoretisch auf 2G umsteigen mit dann deutlich gelockerten Hygieneauflagen.