Warum die Drohungen des US-Botschafters an Berlin abprallen sollten

9.8.2019, 14:41 Uhr

Was das Zerschlagen von diplomatischem Porzellan angeht, hat US-Botschafter Richard Grenell von einem der besten gelernt: seinem Boss, US-Präsident Donald Trump. Wie dessen Stellvertreter in Berlin festgestellt hat, verwenden wir den hierzulande erwirtschafteten Handelsüberschuss für heimische Zwecke, anstatt - wie sich das gehört - mehr Panzer, Flugzeuge und Fregatten zu kaufen. Damit verband er die kaum kaschierte Drohung, die in Deutschland stationierten US-Soldaten abzuziehen und sie vielleicht in Polen wieder anzusiedeln. Weil Warschau sich brav dem von Washington postulierten Ziel fügt, zwei Prozent des Bruttoinlansprodukts (BIP) für Militär auszugeben.

Kurzum: Grenells Äußerungen sind ein Affront. Einem souveränen Staat vorschreiben zu wollen, wie er sein Geld auszugeben hat, das geht gar nicht unter Freunden. Mit Verweis auf die Vorgaben der Nato vielleicht hinter verschlossenen Türen, im partnerschaftlichen Ton, aber nicht mit derart viel Krawall, wie Grenell das veranstaltet. Nur mal am Rande: Mit der Zahlungsmoral der Amerikaner ist es auch nicht weit her, bei den UN sind sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen regelmäßig im Rückstand.

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Zum anderen braucht Grenell offenkundig nicht nur Nachhilfe in Diplomatie, sondern auch in Mathematik. Deutschland hat im vergangenen Jahr 49,5 Milliarden Dollar (44,2 Milliarden Euro) für sein Militär ausgegeben, das waren 1,2 Prozent des BIP. Würde dieser Satz über Nacht auf 2 Prozent angehoben, landeten wir bei Rüstungsausgaben in Höhe von fast 76 Milliarden Dollar (67,8 Milliarden Euro) und damit deutlich vor Russland (61,4 Milliarden Dollar im Jahr 2018). Sendet man damit Signale der Entspannung aus? Sicher nicht, und so muss Berlin endlich Farbe bekennen und sich von diesem unsinnigen Zwei-Prozent-Mantra verabschieden.

Denn wo sollen die ganzen zusätzlichen Flugzeuge, Kriegsschiffe und Truppen sinnvoll eingesetzt werden? An diversen Hotspots ist die Bundeswehr ja bereits aktiv, ferner sorgt Deutschland für Ausbildung (etwa in Afghanistan) oder Ausrüstung (z.B. von Kurden-Milizen, die gegen das Regime in Syrien kämpfen).



Mit seiner simplen "Zwei-Prozent-müssen-sein"-Denke ist Donald Trump da gelandet, wo er gerade ist: Er ist entgegen all seinen Twitter-Beteuerungen Schuldenmach-Weltmeister und fährt sein Land mächtig gegen die Wand, wenn er nicht schnell umsteuert. Das prophezeien ihm zahlreiche Ökonomen von Rang. Die USA haben letztes Jahr 3,2 Prozent ihres BIP in die Armee gesteckt und sind aktuell mit 22,5 Billionen Dollar verschuldet. Für diesen aberwitzigen Betrag werden pro Tag 900 Millionen Dollar Zinsen fällig. Noch einmal zum Mitschreiben: pro Tag!

Die Bundesregierung täte gut daran, Grenell die kalte Schulter zu zeigen und ihm zu erklären, dass ein verantwortungsvoller Staat erst rechnet und dann Geld ausgibt, nicht umgekehrt. Tatsächlich fehlt hierzulande überdies eine Grundsatzentscheidung, in welche Richtung sich die Bundeswehr entwickeln soll. Soll sie eine flexibel einsatzbare, schlagkräftige Kriseninterventions-Truppe sein? Soll sie logistische und medizinische Unterstützung leisten? Aufklärung? Friedenssicherung und Wiederaufbau? Bevor das nicht geklärt ist, macht es keinen Sinn, Geld in den Wehretat zu pumpen, das derzeit an anderer Stelle dringender benötigt wird.