Was die Spanische Grippe mit dem Coronavirus gemein hat

25.3.2020, 14:09 Uhr

Von ihr ist heute öfter denn je die Rede – oft mit bangen Fragen, ob denn Corona ähnlich dramatische Folgen haben könne: An der Spanischen Grippe, die vom Frühjahr 1918 bis Anfang 1920 in drei Wellen um die Welt zog, starben schätzungsweise 50 bis 100 Millionen Menschen – mehr als im gesamten Ersten Weltkrieg. Wir haben Fragen und Antworten dazu gesammelt, inwiefern die Spanische Grippe mit der Corona-Pandemie verglichen werden kann.

Wo entstand die Spanische Grippe?

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Höchstwahrscheinlich im US-Bundesstaat Kansas. In Camp Funston meldete sich am Morgen des 4. März 1918 der Armeekoch Albert Gitchell im Krankenlager, er klagte über heftige Kopf- und Gliederschmerzen, Halsweh und hohes Fieber. Rund hundert ähnliche Fälle meldeten sich bis Mittag, innerhalb von drei Wochen waren es über 1000, 38 von ihnen starben.

Wie verbreitete sich die Grippe?

Die Soldaten, die in dem Lager ausgebildet wurden, landeten im März und April in Europa und kämpften in der Endphase des Ersten Weltkriegs an der Westfront. Rasch verbreitete sich die Influenza über die Schützengräben. Die Briten bekamen "flandrisches Fieber", die Deutschen beklagten "Blitzkatarrh", die Amerikaner litten an "knock-me-down"-Fieber.



Warum heißt die Krankheit dann "Spanische Grippe"?

Weil erstmals in den spanischen Medien von dieser Influenza-Welle die Rede war. Denn Spanien war nicht in den Weltkrieg involviert, es herrschte dort keine Zensur und es wurde über die neue, tödliche Krankheit berichtet – anders als in den meisten kriegführenden Staaten. Übrigens sprach US-Präsident Donald Trump nun zunächst von einem "chinesischen", dann von einem "europäischen" Virus.

Wie war der Krankheitsverlauf?

"Morgens krank, abends tot; abends krank, morgen tot", hieß es auf den indonesischen Insel Java. Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, bis zu 41 Grad Fieber – und die zweite und dritte Welle des Virus schlug noch heftiger zu. Der Schriftsteller Stefan Zweig notierte im Oktober 1918: "Eine Weltseuche, gegen die die Pest in Florenz oder ähnliche Chronikgeschichten ein Kinderspiel sind. Sie frisst täglich 20.000 bis 40.000 Menschen weg."



Wie schützte man sich?

Sehr unterschiedlich. Und teils sehr fahrlässig. Das deutsche Kaiserreich entschied sich auf dem Höhepunkt der Pandemie gegen Quarantänemaßnahmen, gegen Schulschließungen und ein Versammlungsverbot. Dass strikte Vorgaben doch etwas helfen, zeigte sich in den USA: Die Stadt St. Louis griff hart durch mit Regeln, wie sie ähnlich bei uns gelten. Philadelphia dagegen ließ es schleifen. Die Folge: In St. Louis gab es weit weniger und weit langsamer Todesopfer als in Philadelphia. Bei der zweiten Grippewelle galt dann damals, was wir heute praktizieren: "Social Distancing", Abstand halten.

Wie traf die Spanische Grippe Deutschland und die Region?

Im Deutschen Reich zählte man über 400.000 Todesopfer. In Nürnberg, damals regiert von Oberbürgermeister Otto Geßler, lag die Zahl der Toten bei rund 1400 bis 1500. In der Hochphase der Pandemie waren es teils über 300 pro Monat. Phasenweise wütete die Grippe dramatisch: Weil sie auch das Klinik-Personal in der Stadt traf, starben binnen weniger Wochen von 94 Pflegebediensteten fünf Krankenschwestern, eine Pflegeschülerin und fünf weitere Angestellte.

Wie entwickelten sich die Opferzahlen weltweit?

"Die Spanische Grippe infizierte jeden dritten Erdbewohner", schreibt die Wissenschaftsmedizinerin Laura Spinney in ihrem Buch "1918. Die Welt im Fieber" (Carl Hanser Verlag). Zwischen März 1918 und März 1929 tötete sie 50 bis 100 Millionen Menschen – 2,5 bis 5 Prozent der damaligen Weltbevölkerung.

Wen traf die Grippe?

Überwiegend Jüngere zwischen 20 und 40. Offenbar reagierten gerade Menschen mit starkem Immunsystem besonders heftig auf das Virus. Und es traf Menschen rund um die ganze Welt. Auch etliche Prominente erlagen der Krankheit. So etwa der Soziologe Max Weber. Oder Frederick Trump, aus der Pfalz in die USA ausgewanderter Großvater von Donald Trump: Er erlag schon im Mai 1918 der Krankheit. Besonders tragisch war das Schicksal des Malers Egon Schiele. Er hinterließ sein Gemälde "Die Familie" unvollendet, es zeigt ihn, seine Frau und ihr Baby – das allerdings nie auf die Welt kam, da Edith Schiele im Oktober 1918 an der Spanischen Grippe starb. Ihr Mann überlebte sie und das ungeborene Kind nur um drei Tage.



Welche Folgen hatte die Spanische Grippe?

"Sie führte zu unserem Bedürfnis nach frischer Luft und zu unserer Leidenschaft für Sport", schreibt Spinney. Aber auch zu konkreten politischen Fortschritten: besserer Wohnungsbau oder die Fortentwicklung der staatlichen Gesundheitssysteme. Die Fachwelt rückte nach der Pandemie näher zusammen.

Kann sich so etwas wiederholen? Kann Corona ähnliche Folgen haben?

Vermutlich nicht. Denn fest steht: Die Welt ist inzwischen eine andere, und zwar eine deutlich bessere. Damals gab es keine Antibiotika, die Mediziner tappten bei der Bekämpfung der Grippe im Dunkeln, übersahen oft die typischen Symptome. Viele Opfer starben an den Folgen von Nicht- oder Falschbehandlung. Die Menschen heute sind gesünder ernährt und daher weniger infektionsanfällig. Die Kommunikation ist eine ganz andere: Heute verbreiten sich Warnungen und Hinweise binnen Minuten übers Netz weltweit. Damals war es "eine Welt, die das Automobil zwar kannte, sich auf dem Maultierrücken aber wohler fühlte; eine Welt, die zwar schon an die Quantentheorie, aber auch noch an Hexen glaubte." (Spinney)


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