Was die Wahlen in Niedersachsen und Österreich verändern

15.10.2017, 20:22 Uhr

In Österreich gewinnt Sebastian Kurz erwartungsgemäß, in Niedersachsen schafft Stefan Weil einen Erfolg für die SPD: Sehr unterschiedliche Ergebnisse an diesem kurz-weil-igen Wahlabend. © Pool/Christian Charisius/dpa

Es ist ein doppelter Schlag für die Kanzlerin: Der Erfolg der SPD in Niedersachsen, wo die CDU einen noch vor wenigen Wochen sicher geglaubten Sieg verspielt hat, setzt sie innerparteilich weiter unter Druck. Nicht nur in der CDU verfolgen viele verwundert, wie scheinbar  unerschütterlich die Parteichefin auf das Debakel der Bundestagswahl reagiert. Statt Zukunftskonzepte zu skizzieren liefern sich die Unions-Schwestern Schein-Debatten darüber, ob konservativ das neue "Sexy" ist und wie weit nach rechts die Partei rücken soll - oder lieber doch  nicht. Und die CSU spielt auf offener Bühne Selbst- und Seehofer-Zerfleischung - auch nicht wirklich appetitlich.

So wachsen die Zweifel daran, ob Angela Merkel wirklich treibende Kraft für eine funktionierende Jamaika-Koalition sein kann. Ein Bündnis, das nach Niedersachsen noch schwieriger und zugleich noch zwingender wird. Schwieriger, weil alle potenziellen Partner angeschlagen sind und den Druck auf die anderen erhöhen werden. Zwingender, weil gerade die Kanzlerin sich ein Scheitern kaum leisten kann: Neuwahlen würden wohl endgültig und für alle sichtbar machen, dass sie längst nicht mehr so unangefochten ist wie viele Jahre lang. 

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Für die SPD zahlte sich aus, dass der lange blasse Stefan Weil zum robusten Wahlkämpfer wurde, anders als sein niedersächsischer CDU-Herausforderer Bernd Althusmann. Und die Sozialdemokraten dürften auch belohnt worden sein für ihre Standhaftigkeit, nun im Bund doch den Gang in die Opposition anzutreten. Niedersachsen ist der erste Erfolg für Martin Schulz, der damit auch zumindest vorerst Parteichef bleiben dürfte.

Die AfD wurde in Niedersachen gewaltig zurechtgestutzt: Ihr de facto einziges Thema, die Flüchtlingskrise samt der Ängste, die sie damit schürt, spielte auf Landesebene kaum eine Rolle.

Übliche und erfreuliche Stabilität

Insgesamt zeigte das politische System in Niedersachsen damit wieder einmal jene für die ganze Republik bislang übliche und erfreuliche Stabilität, die Deutschland als Insel in Europa erscheinen lässt: Immer noch sind, trotz des AfD-Erfolgs bei der Bundestagswahl, nationalistische Parteien hier weit weniger erfolgreich als bei vielen unserer Nachbarn. Siehe Frankreich mit Le Pen, siehe Ungarn und Polen mit autokratischen Regierungen, siehe nun noch mehr auch Österreich.

Dort wird nun der junge, smarte, wendige und damit höchst erfolgreiche Sebastian Kurz mit der ganz auf ihn zugeschnitteten ÖVP wohl der bisher jüngste Kanzler. Mit der stramm rechtsnationalen, chauvinistischen FPÖ? Das wäre ein gewagtes Bündnis. Kurz hat im Wahlkampf sehr stark auf das Thema Zuwanderung und deren Begrenzung gesetzt und der FPÖ damit ein zentrales Thema weggenommen. Die SPÖ konnte da, obwohl auch sie rhetorisch nach rechts rückte, nicht mithalten in diesem teils auch von ihr sehr schmuddelig geführten Wettlauf.

Der Erfolg von Sebastian Kurz ist mittelfristig gefährlicher für Angela Merkel als der Erfolg von Stefan Weil. Denn Kurz hat zumindest eines getan: klare Kante gezeigt. Er war es, der die Balkanroute schloss, er warb im Wahlkampf damit, die Mittelmeer-Route zu schließen. Angela Merkel dagegen laviert beim Thema Zuwanderung immer noch: Sie sagte im Wahlkampf mal, dass sie alles wieder so machen würde wie 2015, dem Jahr der vorübergehenden Grenzöffnung. Dann wieder sagte sie, dass sich 2015 keinesfalls wiederholen dürfe. Was denn nun? Ihre Politik lief nach der Grenzöffnung eher auf geschlossene Grenzen hinaus - sie sagte das aber nie so deutlich.

Nun kann es sein, dass Europa zwei junge Charismatiker vor dem Wettstreit der Ideen erlebt: Auf der einen Seite der flammende Europäer Emmanuel Macron, der für eine Wiedergeburt Europas wirbt, dafür Partner sucht und auf Deutschland setzt. Auf der anderen Seite der momentan eher national tönende, auf Abgrenzung setzende Sebastian Kurz, der viele Anhänger gerade im Osten des Kontinents hat. Und Angela Merkel? Für welche Vision von Europa sie steht - wir wissen es bisher nicht. Das ist für Deutschland als zentralen Partner keine komfortable und ganz gewiss keine überzeugende Position.