Fokus auf den FC St. Pauli

Das gefühlte Scheitern im Aufstiegsrennen: Der Club zwischen Trotz und Trauer

26.4.2022, 08:10 Uhr

Elfer verschossen, Punkte verloren: Club-Kapitän Enrico Valentini musste am Sonntag viel leiden. Aufgeben will er dennoch nicht. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Vor nicht allzu langer Zeit hat Alois Schwartz selbst acht Monate beim 1. FC Nürnberg arbeiten dürfen, die fränkischen Befindlichkeiten nach Niederlagen scheint der inzwischen über den Karlsruher SC wieder zum SV Sandhausen zurückgekehrte Trainer aber trotzdem noch nicht so ganz verstanden zu haben. Schwartz‘ schwärmerische Annahme, dass „jeder, der hier war, ein geiles Spiel gesehen hat“, dürften jedenfalls nur die wenigsten unter den knapp 40 000 Besuchern im Max-Morlock-Stadion, sofern sie es denn mit dem Club hielten, geteilt haben.

Natürlich hätte man sich als objektiver Zuschauer prima an einem ebenso turbulenten wie grotesken Fußballspiel mit sechs Toren (davon fünf nach Ecken) und einem gehaltenen Strafstoß ergötzen können, doch darum ging es den meisten Menschen an diesem regnerischen Sonntagnachmittag ja nicht. Vier Spieltage vor Saisonschluss ist der Entertainmentfaktor meist nebensächlich, was zählt, sind Ergebnisse. Und da war die 2:4-Heimpleite gegen eher biedere Kurpfälzer ein kaum erwarteter Rückschlag im Aufstiegsrennen, auch wenn die Gäste nun nach Bremen und Schalke immerhin das drittbeste Rückrundenteam stellen.

„Wir sind brutal enttäuscht“, gestand Trainer Robert Klauß stellvertretend für die ganze Mannschaft, man fühle sich „leer und traurig“. Genau so wirkte dann auch Christian Mathenia, als er in der Mixed Zone die Tragik des gefühlten Scheiterns in Worte fassen sollte. „Wir können auch die Tabelle lesen und wissen, dass wir mit drei Punkten da oben ordentlich Druck gemacht hätten“, klagte der Torwart, der zum Misslingen dieses Plans selbst tatkräftig beigetragen hatte.

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Schützenhilfe benötigt

Statt oben Druck zu machen, musste Nürnberg auch den Hamburger SV passieren lassen und weist nun als Sechster vier Punkte Rückstand (plus das wesentlich schlechtere Torverhältnis) auf den aktuell von Darmstadt okkupierten Relegationsrang auf. Zwar scheint rechnerisch noch manches möglich, doch selbst wenn der Club sein Restprogramm beim FC St. Pauli, in Kiel und gegen Schalke erfolgreich gestalten sollte, müsste er auf Ausrutscher der Konkurrenz hoffen. Das weiß auch Klauß, der zwar generell keine Lust hat, zu rechnen und zu orakeln, aber einräumt, „dass wir unsere Ausgangsposition nicht gerade verbessert haben, sondern enorm verschlechtert“.

Ganz aufgeben wollen sie die leise Hoffnung auf ein kleines Fußballwunder dennoch nicht. „Diese Liga ist so verrückt, deshalb: Sag niemals nie“, übte sich Mathenia in dezentem Zweckoptimismus, während Kapitän Enrico Valentini trotzig tönte: „Wir wären ja doof, wenn wir nicht mehr daran glauben würden.“

Objektiven Beobachtern mag das spätestens seit Sonntag allerdings zunehmend schwerfallen, weil sich der Eindruck erhärtet, dass es dem Club schlicht an Konstanz, kollektiver Qualität und Nervenstärke fehlt, um ganz oben mitzumischen. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Klauß-Elf nach imponierenden Auftritten gegen die Spitzenteams HSV (2:1), Darmstadt (3:1) und Bremen (1:1) wieder bei einer vermeintlichen Pflichtaufgabe patzte – wie heuer schon zu Hause gegen die Kellerkinder Ingolstadt (0:5) und Dresden (1:1).

Es fehlt ein Vollstrecker

Auch gelang es gegen den SVS erneut nicht, einen spielerisch phasenweise sehr ansehnlichen und dominanten Vortrag mit reizvollen Chancen auf die Anzeigetafel zu bringen, weil vorne einfach ein Vollstrecker fehlt. Wenn dann noch kurioserweise vier Eckbälle zu Gegentoren führen, weil der Torwart flattert und die Abwehr wackelt, reicht es eben nicht für mehr als das im Sommer offiziell propagierte – und übrigens bereits souverän erfüllte – Saisonziel, das da lautete: ein Platz zwischen fünf und acht. Der nächste Entwicklungsschritt wurde also planmäßig vollzogen, was ja durchaus auch schon als kleiner Erfolg gewertet werden kann.

Am Montag gab Klauß seinen zerknirschten Profis turnusmäßig frei, „um abzuschalten und die Köpfe freizukriegen“. Ab Dienstag soll die Konzentration dann ganz dem Gastspiel am Millerntor gelten, wo der Club zumindest mit den Kiez-Kickern nach Punkten gleichziehen könnte. Dass es schon am Freitag weitergeht, kommt Klauß recht gelegen, „da bleibt wenig Zeit für Trauer“. Noch gibt es dafür ja auch keinen Grund.

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