Zu ungefährlich

Viel hilft nicht viel: Der 1. FC Nürnberg und seine Probleme bei der Schussauswahl

14.10.2022, 05:50 Uhr

Schießen ist schon eine gute Idee, aber eben nicht aus jeder Lage: Lino Tempelmann im Training. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Das sah schon schön aus, als Lino Tempelmann sich da am Sonntagnachmittag und nach einem durchaus risikoreichen Anspiel von Fabian Nürnberger auf den schnellen Weg Richtung Tor machte. Der 1. FC Nürnberg spielte gerade gegen Holstein Kiel und wollte seinen neuen Trainer Markus Weinzierl mit einem Sieg überzeugen. Dass das gelingen könnte, daran glaubten die Menschen nach Tempelmanns schnellen Schritten noch ein wenig mehr. Am Ende des Laufweges nämlich schoss der Mittelfeldspieler und traf auch tatsächlich ins Tor.

Sah also wirklich gut aus, war aber keine gute Idee. Tempelmann brauchte ja die sehr große Schlafmützigkeit des Kieler Torwarts Thomas Dähne, um dieses Tor zu erzielen. War Tempelmann wahrscheinlich egal, zeigte aber wieder einmal eines der Probleme des Clubs in dieser Saison auf. Nach dem Spiel freute sich ja Markus Weinzierl nicht über einen Sieg, aber immerhin über die enorme Aktivität seiner neuen Mannschaft vor dem Tor. 24 Abschlüsse hatte Weinzierl gezählt und war damit erst einmal zufrieden.

Zumal er da ja eine Mannschaft übernommen hat, die erst neun Tore geschossen hatte, ehe Robert Klauß Platz machen musste. Das Problem ist nur: Häufig geschossen hat der Club auch schon vor Weinzierls Übernahme. Die viertmeisten Versuche aufs Tor haben die Nürnberger in dieser Saison bislang abgegeben - dass dennoch so wenig dabei herum kommt, liegt daran, dass es den Nürnberger offensichtlich sehr egal ist, von welcher Position auf dem Platz aus sie schießen. Der Ansatz "viel hilft viel" geht nicht auf.

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Am Valznerweiher kennen sie diese Zahlen natürlich auch. Mit nicht einmal 8,5 Prozent Trefferwahrscheinlichkeit pro Abschluss liegt der Club ligaweit auf dem letzten Platz. Der Spitzenreite in dieser Kategorie hat eine 80 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf einen Treffer pro Schuss. Es ist der 1. FC Kaiserslautern.

Schüsse in den falschen Zonen

Woran das liegt? Der 1. FC Nürnberg schafft es zu selten in jene Zone des Spielfeldes, in dem die Mehrzahl aller Treffer fallen - etwas oberflächlich ausgedrückt: in den Strafraum. In der Zone, in der 69 Prozent aller Tore fallen, schoss der Club in den zehn Spielen unter Klauß gerade einmal 31 Mal.

Weinzierl weiß natürlich um dieses Problem. Allerdings tat das sein Vorgänger auch, ohne dass es Robert Klauß gelungen wäre, die Misere zu beenden. Immerhin: Weinzierl glaubt, dass es im Spiel gegen Kiel erste Anzeichen für ein Problembewusstsein bei seinen Spielern gegeben hat. "Ich habe bis zum 1:1 sechs sehr gute Situationen für uns gesehen, also 6:1 Chancen in den ersten 55 Minuten. Wir müssen einfach das zweite Tor machen oder das erste schon eher", sagt er über seine Erkenntnisse.

Aufwärtstrend oder Momentaufnahme?

Gebracht hat das noch nichts, also arbeiten sie weiter an ihrem Problem, ohne dass Weinzierl die Versuche aus der Distanz gänzlich abschaffen will. "Das war ein Schwerpunkt, dass wir mehr Strafraum-Präsenz entwickeln. Wir haben 24 Abschlüsse und die Chancen zum 2:0 - dann ist das ein ganz anderes Spiel. Wir müssen als klar sein, was wir spielen. Wenn du abschließt und eine Box-Präsenz auch hast, dann fällt dir auch mal der Ball vor die Füße. Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht, ohne dass es einer sieht."

Ein Mutmacher: Sieben der Abschlüsse gegen Kiel fanden in der wichtigen Zone statt - und Christoph Daferner erzielte so sogar ein Tor. Dass dieses Tor nicht sonderlich schön anzusehen war, war eher zu verkraften als der Schlusspfiff des Schiedsrichters direkt danach.