Alpe-Adria-Trail: Anni Johann läuft in neuen Dimensionen

25.4.2021, 06:00 Uhr

Sie läuft am liebsten bergauf und bergab: Anni Johann geht es nicht um Bestzeiten, sondern um das Erlebnis in der Natur.   © Running Team Schamel / privat, NN

Hunderte von Kilometern führt diese Route vom Hochgebirge in Österreich über Slowenien an die italienische Adriaküste. Das ist der ambitionierte Plan. Dabei hat sie bis vor zwei Jahren mit dem Laufen nichts anfangen können. Nur durch Zufall entdeckt sie das Trailrunning für sich.


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Bei einem Wanderurlaub 2019 in Neuseeland fällt Annika Johann, die alle nur "Anni" rufen, ein Bericht über Trailrunning und eine Tour am Arthur’s Pass in die Hände. Kurzerhand joggt sie los. Der Weg ist steil, schon nach zehn Minuten muss sie sich "völlig fertig" hinsetzen. "Ich dachte, ich muss das alles rennen." Trotzdem macht sie weiter. Mit einer Mischung aus Laufen und Speed-Hiking - also schnelles Wandern - erreicht sie die Passhöhe. "Es hat super viel Spaß gemacht."

Wenige Tage später hört sie von einer spannenden Dreitagestour. Da vor Ort aber keine Zeltplätze mehr frei waren, beschließt sie, die 30 Kilometer lange Wanderung ebenfalls als Trailrun zu bewältigen. Wieder ist sie begeistert. "Ich war schon immer gerne draußen unterwegs, aber nur zum Klettern, Wandern oder Bergsteigen. Ich bin nie gelaufen, das fand ich immer langweilig und hab nie verstanden, was daran so toll sein soll." Am anderen Ende der Welt änderte sich das.

Noch im selben Jahr verbringt Johann mehrere Monate für ihren Arbeitgeber Siemens als Marketingmanagerin in Asien. Neben der Arbeit nutzt sie die Zeit zum Reisen. In Vietnam nimmt sie an ihrem ersten richtigen Trailrun-Event teil. Die Strecke führt auf 55 Kilometern quer durch den Dschungel und ist mit 3000 Höhenmeter gespickt. Als sie im Ziel ist, weiß sie, dass das Trailrunning genau ihre Sportart ist, "ich war Feuer und Flamme".

Anspruchsvolle, technische Wege, die ständige Abwechslung, das Bergauf und Bergab: "Das Spannende ist die Mischung", sagt die 31-Jährige. Fortan will sie ihre Grenzen immer weiter verschieben. Johann absolvierte in Thailand einen Lauf über 105 Kilometer. "Auch das ging gut."



Zurück in Erlangen macht sie sich auf die Suche nach einer Laufgruppe und findet das Schamel Running Team. "Ich dachte erst, da bin ich völlig falsch. Ich trainiere ja nicht, und laufe nur zum Spaß." Doch Team-Kapitän Johannes Hendel gefällt die Begeisterung und die Abenteuerliebe der jungen Frau. Seitdem gehört sie zur Baiersdorfer Trailrunning-Equipe. Auch wenn sie nun Teil eines Teams ist, gesponsort wird und in den knallroten Outfits auf Tour geht – an ihrer Einstellung zum Laufen hat sich nichts geändert. "Mich reizt vor allem das Laufen in der Natur. Wenn ich zwei Wochen keine Berge habe, dann fehlt mir meine innere Ruhe. Nach Plan zu trainieren, auf der Bahn oder Intervalle zu rennen, das ist die absolute Horrorvorstellung für mich." Sie bewundert Sportler, die einen Trainingsplan abarbeiten. "Ich bin da nicht so strukturiert, sondern eher der spontane Typ."

Anni Johann geht es weder um Bestzeiten noch um den Vergleich mit anderen oder das Sammeln möglichst vieler Höhenmeter. Ihre Motivation ist etwas anderes, ganz Persönliches. Laufen ist für Anni Johann vor allem Erlebnis, Naturerfahrung, gerne auch Abenteuer. Anstatt unter der Woche an ihrem Wohnort in München Kilometer zu sammeln, "trainiert" sie lieber am Wochenende, indem sie in den Bergen unterwegs ist. Oder sie nutzt wie vor Kurzem spontan einen Tag Resturlaub, um einmal quer über diverse bayerische Gipfel 50 Kilometer durch den Schnee von Kochel nach Garmisch zu laufen.

Als sie Berichte vom Alpe-Adria-Trail liest, hat sie recht schnell eine Idee für das nächste Trailrunning-Projekt im Kopf. Die Strecke folgt dabei überwiegend der Originalroute, nur an einigen Stellen hat sie Abwandlungen eingebaut. So geht es nicht auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe am Großglockner los, sondern in Bad Gastein, damit sie mit der Bahn anreisen kann. Außerdem springen so auf dem Weg zur Originalstrecke noch ein paar zusätzliche Gipfel und Grate heraus, erklärt sie mit einem verschmitzten Lachen.

30.000 Höhenmeter auf rund 700 Kilometern

Statt Muggia wird das Ziel zudem in Triest sein. In Slowenien will sie ebenfalls ein paar Extra-Höhenmeter absolvieren. "Nur am Triglav vorbeizulaufen, das geht nicht." Und so packt sie kurzerhand noch einmal zwei Berge ins Programm. Wenn es am 10. Juni losgeht, dann wartet ein Abenteuer, dessen Dimensionen Respekt einflößen: 30.000 Höhenmeter verteilen sich auf eine Distanz von rund 700 Kilometern, es geht durch drei Länder und die unterschiedlichsten Gegenden. Und das alles will Anni Johann in 15 Tagen schaffen.

Dass sie es schaffen kann, daran glaubt die Läuferin fest. Nur ein Hindernis gibt es noch: Corona. Denn wenn die Bestimmungen es nicht zulassen, ist das Projekt schon vor dem ersten Schritt gestorben. Die Münchnerin aber ist ein positiver Mensch, sie lässt sich davon nicht die Vorfreude auf ihr nächstes großes Abenteuer verderben. Und bis es soweit ist, wartet noch das eine oder andere alpine Laufabenteuer vor der Haustür – etwas "Training" und Zeit zum Abschalten muss sein.