Der FCN in Belek: Auf der Suche nach Orientierung

20.1.2015, 05:56 Uhr

Auch wenig Schlaf und über sechs Stunden Anreise können Rene Weiler nicht die Laune verderben. Als die Delegation des 1. FC Nürnberg gegen Mittag in Kompaniestärke in der Nobelherberge einfiel, wirkten vor allem die Sportler übermüdet, schlapp, vereinzelt sogar etwas desorientiert; Jan Polak etwa hätte beim Einzug ins Foyer sogar um ein Haar ein sündteures Kunstwerk zerlegt.

Vorneweg lief, wie sich das gehört, sein Chef – und lächelte. René Weiler ist ein in jeder Lebenslage positiv denkender Mensch, was sich ganz gut trifft. Der vorübergehend bis in den Tabellenkeller der zweiten Bundesliga durchgereichte Club kann positiv denkende Menschen prima gebrauchen. Es fiel den Verantwortlichen in den vergangenen Monaten ja mitunter richtig schwer, sich die Zukunft präziser vorzustellen.

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Noch ein Neuzugang?

Bis Weiler seinen Vertrag unterschrieb. Seitdem stimmen zumindest die Ergebnisse wieder; die Art und Weise, wie die Nürnberger in den sechs Partien vor der Winterpause Fußball spielten, konnte auch den Schweizer bloß phasenweise begeistern. Deshalb ist es ihm recht, seine Mannschaft für acht Tage unter einem Dach versammeln zu können. „Man kann noch intensivere Einzelgespräche als zuhause führen“, sagt Weiler, „man beschäftigt sich mal eine Woche nur mit Fußball.“ Was genau der Aufenthalt in der Türkei aber kurz- und mittelfristig eigentlich bewirken soll, das ist bislang nicht ganz klar geworden. Auf eindeutige, unmissverständliche Zeichen des Vereins, wie es denn bis zum Frühjahr und darüber hinaus weitergeht, wartet Weiler lieber nicht, „Erwartungen werden meistens enttäuscht im Leben“.

Sebastian Kerk vom SC Freiburg ist der bislang einzige Zugang und wohl auch eine Verstärkung, nur wird einer nicht reichen, um die Gruppe auf ein höheres Niveau zu hieven. Das dürfte unabdingbar sein, falls sie tatsächlich noch einen Angriff auf die vorderen Ränge unternehmen möchten. Aufmerksame Begleiter des Bundesliga-Absteigers müssen aber ihre Zweifel haben, ob das die Führungsetage derzeit überhaupt anstrebt. Sportvorstand Martin Bader will den Druck überschaubar lassen und seiner Belegschaft „keine Rücksäcke“ aufsetzen, wie er noch im Dezember 2014 betonte, ihnen aber auch „kein Alibi“ geben für einen möglicherweise laschen Restsaisonverlauf.

„Der Weg ist das Ziel“, versichert Weiler in schöner Regelmäßigkeit; wohin der führen wird, ist im Januar 2015 freilich ungewiss. „Beschränkte Ressourcen“, wie Weiler sagt, würden die Suche nach qualifiziertem Personal erschweren – was aber nicht heißen soll, dass das Thema Zugänge abgehakt ist, noch in dieser Woche könnte sich etwas tun. Von einem Übergangsjahr will er jedenfalls nichts wissen, „als Trainer muss ich die Mannschaft immer weiterbringen“, sagt Weiler, „ich will Fortschritte sehen.“

Der neue Trainer vermeidet es tunlichst, weiter als bis übermorgen nach vorn zu schauen – und konzentriert sich gerne auf das Hier und Jetzt. Erst recht, wenn die Sonne scheint. Auch gestern fing er gleich damit an: Während sich die meisten mittags etwas Ruhe gönnten, ließ Weiler sich mit seinem Assistenten Manuel Klökler auf einem Golf-Car die Umgebung und Plätze zeigen. Am späten Nachmittag stand die erste Einheit auf dem Programm, „eine ordentliche“, wie Weiler fand, ungefähr zehn weitere werden folgen.

Zwei Testspiele

Aufgelockert werden die acht Arbeitstage mit den Tests am Mittwoch gegen Jeju United und den FC Aarau am Samstag. Weiler ist schlau genug, nicht irgendwelche Ziele für den Ausflug an die türkische Mittelmeerküste zu formulieren. Letztlich werden sogenannte Winter-Trainingslager von der breiten Öffentlichkeit ohnehin grandios überbewertet; wenn Mannschaften, ihre Fans und eine Handvoll Journalisten gemeinsam verreisen, passiert etwa dasselbe wie sonst zuhause.

Häufig ist nur das Wetter besser und der Wellness-Bereich größer, der äußere Rahmen passt auch diesmal, bis Samstag soll es zudem frühlingshaft warm bleiben. Weil davon bis zum Rückrundenstart aber auch fast alle Konkurrenten profitieren wollen, hält sich der eigene Vorteil in Grenzen.

Wahrscheinlich ist es René Weiler einfach nur wichtig, jeden Einzelnen noch etwas näher kennen zu lernen, auch abseits des Rasens. Dafür ist so ein All-inklusive-Aktivurlaub für fast 40 Personen doch ideal, vielleicht wird die Zukunft doch schöner, als viele zu glauben hoffen. Von seiner Vergangenheit wird Weiler in den Tagen von Belek eingeholt; der FC Aarau, sein Ex-Verein, ist am Sonntag wegen der Trainingsbedingungen von Side nach Belek umgezogen – und teilt sich seit gestern sogar das Übungsgelände mit den Nürnbergern.