Die ewigen Rivalen

12.11.2010, 18:10 Uhr

Die Menschen die nördlich der Donau – für sie ist sie ein Grenzstrom – beheimatet sind, sehen sich in allen Bereichen wie Politik, Kultur oder Fernsehberichterstattung durch den BR regelmäßig benachteiligt. Tiefe Wunden, die nur schwer zu schließen sind. Die Lederkugel bietet den Franken die ideale Möglichkeit, den Frust für einige Zeit zu verdrängen. Es ist wie „auf Schalke“: Ein Sieg über den Erzrivalen Borussia Dortmund versetzte die Fans in einen wahren Glücksrausch. Es ist, als wären Weihnachten und Ostern auf einen Tag gefallen.
 

Ähnlich verhält es sich mit den Anhängern des 1. FCN. Für sie ist ein Triumph über den Millionenklub von der Isar – Bayern haben sie inzwischen spöttisch in „Bauern“ umgetauft – mehr wert als drei Siege über andere Konkurrenten. Er ist schon seit Jahrzehnten ein Heilmittel für die oft geschundene Seele. Sie gerieten schon schier aus dem Häuschen, als ihre Helden am vergangenen Samstag mit zwei Punkten Vorsprung auf die Münchner auf den sechsten Platz vorrückten. Unglaublich, aber wahr: Eine Momentaufnahme erzielte Wirkung, die nur der verstehen kann, der in fränkischen Landen zu Hause ist. 

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Lang, lang ist‘s her, dass der Ruhmreiche aus der Noris im deutschen Fußball eine dominierende Rolle und der FC Bayern nur die zweite Geige gespielt hat. Und noch heute haben die älteren Club-Fans den 2. Dezember 1967 nicht aus ihrem Gedächtnis gestrichen. Ihr Verein spielte das Münchner Starensemble mit Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller zu Hause mit 7:3 förmlich an die Wand. Unvergesslich die Taten von Mittelstürmer Franz Brungs. Das „Goldköpfchen“ traf nicht weniger als fünfmal ins Schwarze. Es war die Saison, in der sich die Münchner durch den Rivalen aus dem Norden des Freistaates gedemütigt fühlten, denn im Mai 1968 unterlagen sie im uralten Stadion an der Grünwalder Straße mit 0:2. Gesenkten Hauptes verließen Beckenbauer & Co. den Rasen, während die Schützlinge von Trainer Max Merkel als erste Etappe der Feiern des neunten deutschen Meistertitels umjubelt wurden.  Doch dann trat die Wende ein, die für den langjährigen Club-Funktionär Andreas Weiß – er hat vor kurzem das 90. Lebensjahr vollendet – heute noch unerklärlich ist: „Wir hatten keine vernünftigen Vorstände, so dass es abwärts ging.“
 

Hier Niedergang – und da Aufschwung. Und was für einer! Der Club stieg sogar in die Dritte Liga und musste über die Dörfer reisen, während der Erzrivale zu einer europäischen Spitzenmannschaft avancierte. 1987 geriet für die Franken sogar zu einem Trauerjahr mit besonderem Hintergrund: Der FC Bayern löste den 1. FCN als deutscher Rekordmeister ab.
 

Der Zorn auf den Millionenklub von der Säbener Straße wuchs ins Unermessliche. Irgendwie entspringt er freilich der deutschen Mentalität, ist keineswegs frankenspezifisch: Der Erfolg hat bekanntlich viele Neider. Und so jubeln die FCN-Fans heute noch bei den Heimspielen ihrer Mannschaft, wenn auf der Anzeigentafel ein Gegentor der Münchner verkündet wird. Und selbst dann, wenn deren Kontrahent dadurch einen Vorteil gegenüber dem Club genießt. Eine Tatsache, die schwer zu begreifen ist. Aber der Stachel der Verbitterung gegen den Stärkeren sitzt eben tief im Fleisch.
 

Und dabei wird völlig außer acht gelassen, dass der langjährige verdienstvolle Bayern-Manager Uli Hoeneß – er trug ein Jahr lang sogar das Nürnberger Trikot – durchaus ein Faible für den Rivalen aus dem Norden hat. Und so wanderten schon vor vielen Jahren von der Isar an die Pegnitz. Erinnert sei nur an Torhüter Manfred Müller, Manfred Schwabl und Hans Dorfner. Denkbar, dass Müller – er stand beim deutschen Pokalfinale 1982 bei der 2:4-Niederlage des Clubs trotz der 2:0-Pausenführung im Tor beim Gegner – seine Bayern-Vergangenheit kürzlich die Wahl zum Club-Aufsichtsrat gekostet hat.
 

 Bei vielen vernünftigen FCN-Fans hat trotz aller Rivalität ein Umdenken eingesetzt. Kluge Vereinspolitik am Valznerweiher und dazu auch Entgegenkommen der Münchner hat es möglich gemacht, dass talentierte Kicker von der Säbener Straße ausgeliehen werden konnten. Der 1. FCN hat in der vergangenen Saison durch Breno und Andreas Ottl an Stärke gewonnen und konnte den Bundesliga-Erhalt perfekt machen. Dass die Truppe in der laufenden Saison von der Spielkunst der Leihgabe Mehmet Ekici profitiert, ist nicht zu bestreiten. Der eingeschlagene Weg ist der Richtige und sollte auch von den Club-Anhängern akzeptiert werden. Niemand erwartet, dass damit der Rivalität zwischen Nord und Süd ein Ende gesetzt wird. Sie muss sein, denn sie gehört zum Fußball dazu wie der Ball.
 

„Der Club und die Bayern – das spezielle Verhältnis der deutschen Rekordmeister“ ist auch Thema der Deutschen Akademie für Fußball. In der Reihe „Weißt du noch damals ...!?“ erinnern sich Fußball-Legenden am Donnerstag, 18. 11., 19.30 Uhr, im südpunkt, Großer Saal (Eintritt frei). Auf der Bühne sind mit dabei: Manfred „Manni“ Müller, Michael Wiesinger und Dieter Eckstein.