FCN beim Liga-Start: Mehr als ein Mentalitäts-Problem

19.8.2019, 05:56 Uhr

Enttäuschung nach dem Spiel. So wollte sich der Club nicht präsentieren. © Foto: Daniel Marr/Zink

Am nächsten Tag hatten acht Spieler und der Trainer noch einen sehr speziellen PR-Termin. Als sogenannte Stargäste im frisch eröffneten "Clubhaus" am Josephsplatz lächelten sie das maßlos enttäuschende 2:3 in Sandhausen vom Freitagabend einfach weg. Vereinzelt mit ziemlich schlechtem Gewissen.

Besonders Christian Mathenia, dem erneut höchst unglücklichen Torwart, fiel die gute Miene zum schlechten Spiel extrem schwer. Satte sieben Gegentreffer hat er kassiert in den vergangenen zwei Liga-Partien und bei mindestens vier nicht gut ausgesehen. Die Fans standen trotzdem Schlange und warteten teilweise bis zu einer halben Stunde, um in die erste Etage aufzusteigen.

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So in etwa hatte das ja auch der ganze 1. FC Nürnberg vor in dieser Saison, deren bisherigen Verlauf sie sich doch ein bisschen anders vorgestellt hatten. Aktuell ist man den letzten drei Plätzen deutlich näher als den ersten, was nach drei Runden natürlich nicht viel mehr ist als eine erste Momentaufnahme, wenn auch keine besonders angenehme.

Fast 230 Fehlpässe in zwei Spielen

Kopfzerbrechen bereitet ihnen selbst zu so einem frühen Zeitpunkt des Spieljahres allerdings die Art und Weise, wie sich die Mannschaft präsentiert. Auch die 1:0-Siege in Dresden und Ingolstadt gerieten ja nicht gerade überzeugend, das 0:4 gegen den HSV und das 2:3 von Sandhausen sogar einigermaßen desaströs, wie auch insgesamt fast 230 Fehlpässe dokumentieren.

Wie das sein kann, lautet seitdem eine der am häufigsten gestellten Fragen. Dass eine nominell durchaus konkurrenzfähige Elf zweimal so untergeht, am Hardtwald immerhin bloß noch eine Halbzeit lang. Die erste wird trotzdem eingehen als eine der chaotischsten in der über 119-jährigen Vereinsgeschichte.

Nach etwa 25 Minuten drang eine Statistik zum Trainer durch, die ihn auch hinterher im Presseraum noch einigermaßen fassungslos darüber sprechen ließ. Lediglich zehn Prozent der bis dahin geführten Zweikämpfe hatten die Nürnberger für sich entscheiden können, also jeden zehnten, eine unglaubliche Quote, die an Arbeitsverweigerung grenzt.

"Wir waren schon vorbereitet", meinte Asger Sörensen, Schütze des zwischenzeitlichen 2:2 (69.), "aber das ist Mentalität." Respektive eine, mit der selbst in der Zweiten Liga nicht viel zu holen sein wird. Der Kollege Enrico Valentini sah das sehr ähnlich: "Es ist schwer in Worte zu fassen, warum das so extrem war", meinte der Interimsspielführer, "jetzt muss sich jeder an die eigene Nase fassen und schauen, dass wir eine Reaktion zeigen." Und für was der neue Club eigentlich stehen soll.

Brisanz bei Kaderplanung 

Brisanz verspricht unter anderem die Entscheidung, wer am Sonntag im Max-Morlock-Stadion gegen den VfL Osnabrück (13.30 Uhr) als Kapitän auflaufen wird. Hanno Behrens musste die berühmte Armbinde bereits nach 45 Minuten abstreifen, nachdem ihn sein Vorgesetzter indirekt verantwortlich gemacht hat für den zunächst indiskutablen Auftritt und wie auch Mikael Ishak bereits zur Pause auswechselte.

 

 

 

So etwas ist Behrens, der auch am nächsten Tag im "Clubhaus" fehlte, in über vier Jahren Nürnberg erst einmal passiert, am dritten Spieltag der Saison 2015/16 gegen die Münchner Löwen. Dass er am Freitagabend mit einer durchaus respektablen Zweikampfquote von 50 Prozent in der Kabine bleiben musste, ließ sich vor allem damit erklären, dass er praktisch keine Zweikämpfe geführt hatte, wie die meisten anderen allerdings auch.



Eigentlich wollten sie, wie Valentini hinterher erläuterte, "zwischen die Linien kommen", also die Räume zwischen den jeweiligen Sandhäuser Mannschaftsteilen nutzen, was sich insofern schwierig gestalten sollte, da der Ball häufig über die Linien hinwegflog. Erst mit Jäger und Knöll beziehungsweise ohne Behrens und Ishak hätten sie mehr Einfluss nehmen können auf die Begegnung, versicherte Canadi glaubhaft, "die zwei haben Schwung gebracht". So viel, dass der Club nach 0:2-Rückstand sogar noch gewinnen wollte. Bis "eine Unaufmerksamkeit von uns" (Valentini) in der 89. Minute selbst noch den einen Punkt kostete.

Keine heile Welt

Seitdem sind ein paar zarte Risse in der heilen Club-Welt unübersehbar; gemangelt habe es insbesondere "an der Einstellung, der Disziplin, dem Siegeswillen", wie Canadi analysierte, wie schon beim Debakel gegen den HSV sei die Mentalität nicht zweitligatauglich gewesen. "So wie wir in der ersten Halbzeit aufgetreten sind, kann man nicht auftreten", meinte Canadi, "wir haben es nicht geschafft, die Leidenschaft zu entfachen, die wir gebraucht hätten."

Auch am nächsten Tag im "Clubhaus" präsentierten sich die Nürnberger Profis samt ihres Vorgesetzten wieder als ausgesprochen nette, sympathische Gäste. Diesmal freilich zur Freude ihrer Fans. Sie waren ja nur für Fotos und zum Autogrammeschreiben da.