Kleeblatt: Aus der Not zur Defensiv-Taktik gezwungen

27.4.2015, 06:00 Uhr

Kein glücklicher Tag für Benedikt Röcker: Seine Fehler leiteten beide Tore ein. © Sportfoto Zink / WoZi

In nur zwei Minuten stürzte das fragile Kartenhaus zusammen. Eine Stunde lang hatte die Kleeblatt-Elf den Gastgebern Paroli geboten. Mehr noch, sie hatten sie nervös gemacht, und das erstaunlich mürrische Publikum im Wildparkstadion gleich mit. Es war diesem grandiosen Tor von Marco Rapp zu verdanken, der in der 13. Minute an nichts anderes als an diese Flanke von Johannes Wurtz dachte und am Eck des Fünfmeterraums volley einfach einmal abzog.

Es war erst der zweite Einsatz des Spielführers der zweiten Mannschaft in der Profi-Elf und sein erstes Tor. Und es war das Resultat eines Matchplans, der voll aufzugehen schien: Der KSC ist eine Kontermannschaft, die das Spiel nicht gerne selbst in die Hand nimmt.

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Taktik aus der Not geboren

Die Fürther Außenverteidiger Zhi-Gin Lam und Niko Gießelmann, der sich seine fünfte gelbe Karte abholte, standen diesmal in der Rückwärtsbewegung viel weiter hinten als in den Spielen zuvor - auskontern unmöglich. Außerdem übergaben die Fürther ihre Gegenspieler nicht, sondern nahmen sie in direkte Manndeckung übers ganze Feld. "Das und das gegenseitige Coachen hatten wir uns vorgenommen“, erklärte Trainer Mike Büskens nach dem Spiel. Seine Stimme war leise, sein Blick ging oft ins Leere, die Augen sahen müde aus.

Zur defensiveren Taktik war er gezwungen worden, wie er verriet: „Das war der Not geschuldet.“ Stürmer Robert Zulj hatten schon die ganze Woche Zahnschmerzen den Schlaf geraubt, beim Anschwitzen am Samstagvormittag in Karlsruhe sagte er seinem Trainer endgültig ab. Auf seine Zehnerposition rückte Stephan Schröck, dessen Lücke in der Mittelfeldraute wiederum Rapp, ein gelernter Sechser, füllte. Florian Trinks scheint auch trotz des vollen Lazaretts keine Option für die Startelf zu sein, er durfte Rapp erst in der Schlussphase ablösen.

Die Fürther nahmen den Vorsprung mit in die Kabine, doch die Gesichtsfarbe von Präsident Helmut Hack auf der Haupttribüne wollte sich nicht verändern. „Mir ist schlecht“, sagte der Klubboss mit bleichen Wangen, er traute dem Frieden nicht.

Und seine Skepsis war nicht unbegründet. Denn der über die gesamte Saison beste Fürther patzte - und brachte sein Team um die drei Punkte. Philipp Max, den Büskens noch aus der Schalker A-Jugend kennt, schlug in der 58. Minute ungehindert einen sehr weiten Ball aus dem Halbfeld in den Fürther Sechzehner. Benedikt Röcker, 1,97 Meter lang, verschätzte sich und Rouwen Hennings, Karlsruhes gefährlichster Angreifer, um den sich bis dahin erfolgreich Marco Caligiuri gekümmert hatte, schoss zum Ausgleich ein.

Es folgte: der Radetzky-Marsch vom Band, Anstoß, Ballverlust, der Karslruher Gordon bekam den Ball, drosch ihn übers halbe Feld auf Röcker zu, doch der tauchte erneut darunter durch - wieder kam dieser Hennings an das Leder, Abschluss: 2:1 für den KSC, sein 15. Treffer in dieser Saison, derzeit Ligabestwert.

Knopfdruck blieb aus

"Fehler passieren im Fußball“, kommentierte es Büskens, „aber dann musst du auf den Reset-Knopf drücken und sagen: Wir sind wieder da.“ Dabei schlug er sich mit der Faust auf die Brust. Doch seine Mannschaft zeigte diese Mentalität nicht. „Es fehlte in den letzten 30 Minuten die Entschlossenheit.“

Der Unglücksrabe selbst wollte nach dem Spiel nicht mit den Journalisten reden. Ausgerechnet er, der in dieser Saison so oft aus der Kabine in die Interviewzone geschickt wurde, um die vielen Unentschieden und Niederlagen zu erklären. Doch nun, wo es Spitz auf Knopf steht, fehlen ihm Konstanz und Worte.

Dafür redete sein Nebenmann Marco Caligiuri. Wie es sein könne, dass jetzt auch die Führungsspieler Nervenflattern bekommen. „Es ist die Unruhe, es ist nicht das größte Selbstvertrauen vorhanden“, gewährt er einen Blick in die Psyche des Kaders. In der Kabine gab es allerdings keine bösen Worte, alle hätten Röcker auf die Schultern geklopft. Was Büskens nicht verwundert: „Die Mannschaft ist harmonisch, das ist nicht das Problem. Die wollen alle miteinander arbeiten.“