Konstanz und Köpfchen: Mühl lässt Köllner schwärmen

9.1.2019, 11:41 Uhr

Bei öffentlichen Beurteilungen seiner Stammkräfte gibt sich Michael Köllner neuerdings ungewohnt kritisch. Ob nun Mikael Ishak, Georg Margreitter oder Enrico Valentini – so mancher gestandene Profi des 1. FC Nürnberg musste sich zuletzt ein paar süffisante Bemerkungen seines Trainers gefallen lassen. Wirklich konstant aufgetreten, resümierte Köllner dieser Tage in Benahavis, seien in der ersten Saisonhälfte allenfalls zwei Spieler: Defensivstratege Ondrej Petrak – und Youngster Lukas Mühl.

In der Tat: Sucht man beim Tabellenletzten nach den positiven Erscheinungen einer enttäuschenden Vorrunde, landet man relativ schnell beim Namen Mühl. Dass der 21-jährige Innenverteidiger in allen 17 Partien über die volle Distanz auf dem Platz stehen würde, war so kaum zu erwarten gewesen. Doch das Eigengewächs hatte seine Chance nach dem Ausfall von Ewerton resolut beim Schopf gepackt und sich an der Seite von Routinier Margreitter im Abwehrzentrum etabliert. Dass Ewerton auch nach seiner Genesung lediglich ein Platz auf der Bank blieb, war den meist soliden, mitunter starken, selten schlechten Leistungen seines jungen Stellvertreters geschuldet. "Soll ich jetzt etwa den Mühl rausnehmen?", konterte Köllner ebenso gebetsmühlenartig wie genervt alle Forderungen nach dem in der letzten Saison so hochgelobten Brasilianer, der mit Margreitter immerhin das wohl beste Innenverteidigerduo der Liga gebildet hatte.

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Dass er Ewerton momentan den Rang abgelaufen hat, scheint Mühl sogar fast ein bisschen peinlich zu sein. "Er hat mir auch viel geholfen, von einem wie ihm kann man sich einiges abschauen", betont der jüngere Kollege artig, "wir sind froh, dass wir ihn im Team haben". Und sollte es doch einmal einen Wechsel geben, "wäre das auch kein Grund, rumzubocken. Konkurrenzdenken bringt uns jetzt nichts, jeder will doch nächste Saison wieder Bundesliga spielen."

Ein Satz, der viel aussagt über den Menschen Lukas Mühl. Der junge Mann aus dem Bayerischen Wald wirkt höflich, bescheiden, extrem bodenständig und für sein Alter erstaunlich reflektiert. "Ich genieße einfach jede Minute, die ich in der Bundesliga auf dem Platz stehe. Das dann noch mit dem Verein erleben zu dürfen, aus dessen Jugend ich komme – etwas Schöneres gibt es nicht", schwärmt Mühl, der 2011 vom TSV Regen ins Nürnberger NLZ gewechselt war und seinen Vertrag im Sommer vorzeitig bis 2021 verlängert hat.

Auf 3,5 Millionen Euro taxiert das Internetportal Transfermarkt.de mittlerweile den Marktwert des U20- Nationalspielers, diverse Vereine sollen bereits ein Auge auf das Abwehrtalent geworfen haben. Ein Abschied ist für Mühl momentan aber kein Thema. "Manche können überall spielen, denen ist das wurscht. Für mich aber ist das familiäre Umfeld extrem wichtig", erkärt der Jungprofi. "Natürlich ist Fußballer mein Traumberuf, aber ich sehe das Leben etwas ganzheitlicher. Was nützt es, ein bisschen mehr Geld zu verdienen, und im Endeffekt ist man nicht glücklich? Wenn ich bei meiner Familie und Freundin sein kann, ist mir das viel mehr wert." Die sportliche Stagnation ehemaliger Weggefährten wie Patrick Kammerbauer (SC Freiburg) oder Cedric Teuchert (FC Schalke 04) mag als warnendes Beispiel dienen.

Mühl hingegen hat sich in Nürnberg auch in der internen Hierarchie als feste Größe etabliert. "Ich bin sicher keiner, der in der Kabine groß herumposaunt. Aber ich sage schon klar meine Meinung und versuche mich einzubringen." Generell schätzt er eher Spieler wie Philipp Lahm, die sich ihre exponierte Stellung durch konstante Leistungen erarbeitet haben und nicht durch große Worte.

Musterschüler

Köllner schätzt an seinem Musterschüler vor allem dessen Lernbereitschaft: "Lukas ist ein extrem aufmerksamer Spieler. Wie er bei Taktikschulungen Situationen versteht und analysiert, zeigt ein gewisses strategisches Denken." Zudem sei Mühl "keiner, der abhebt, sondern die Dinge grundsätzlich konstant und sehr unaufgeregt erledigt." Im direkten Duell sei der 1,89 Meter große Modellathlet eben "ein niederbayerischer Kämpfer, ich möchte jedenfalls nicht am Mann gegen ihn spielen müssen".

Unstrittig ist aber auch, dass in einer Abwehrreihe, die die meisten Gegentore der Liga bekommen hat, nicht alles perfekt gewesen sein kann. Gerade unter Druck neigt Mühl noch zum unkontrollierten Befreiungsschlag, "da muss ich manche Situationen ruhiger und besser lösen". Auch das Aufbauspiel ist nach wie vor optimierungsfähig. Den oft gehörten Vorwurf, er würde zu viel quer oder zurück spielen, hat Mühl registriert, hält aber dagegen: "Wenn ich den Ball nach vorne spiele, muss er auch ankommen, sonst ist der Konter zu 90 Prozent ein Tor. In der Bundesliga werden solche Fehler sofort bestraft."

Fortuna als Vorbild

Etwa bei den desaströsen Auftritten in Dortmund oder Leipzig. "Sechs oder sieben Gegentore sind Fakten. Man muss einfach daraus lernen. Und ich bin generell ein positiver Typ, der immer nach vorne schaut." Deshalb glaubt er auch fest an einen erfolgreichen Neustart mit Happy End: "Man hat doch an Düsseldorf gesehen, wie schnell es gehen kann, wenn man mal einen Lauf hat." Und dafür braucht es eben vor allem: Konstanz.