Nach WM-Finale: Massig Kritik am Videobeweis

16.7.2018, 12:42 Uhr

Technischer Fortschritt, der für Gerechtigkeit sorgt, oder doch eher ein Mittel, um mit Willkür Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen? Beim Videobeweis scheiden sich die Geister. © Thanassis Stavrakis/dpa

Der Videobeweis ist erstmals auch in einem WM-Finale zum Einsatz gekommen – und hat gleich für heftige Diskussionen gesorgt. Schiedsrichter Nestor Pitana entschied erst nach mehr als zweiminütiger Unterbrechung und Studium der Videobilder auf Handspiel von Kroatiens Ivan Perisic und Elfmeter für Frankreich. Antoine Griezmann verwandelte in der 38. Minute zum zwischenzeitlichen 2:1, Perisic und seine Teamkollegen protestierten wütend beim argentinischen Referee.

Auch im Internet kochten während des 4:2-Siegs für Frankreich die Emotionen hoch. "Noooooooo!!!! Den kannst du nicht geben. Um Himmels Willen Videobeweis“, twitterte Englands Ex-Stürmerstar Gary Lineker. "Ich denke, jeder Spieler muss sich nächste Saison den Arm abschneiden", spottete Dänemarks Nationalspieler Yussuf Poulsen von RB Leipzig. Der Stürmer hatte in der Vorrunde gegen Australien (1:1) selbst einen Handelfmeter nach Video-Überprüfung gegen sich hinnehmen müssen.

Handelfmeter dank VAR

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Im Endspiel schlug Griezmann in der 34. Minute eine Ecke, N'Golo Kanté verwirrte Perisic, dem der Ball klar gegen die ausgestreckte Hand sprang. Pitana ahndete dies zunächst nicht und entschied fälschlicherweise auf Abstoß für Kroatien. Auf Hinweis von Video-Schiedsrichter Massimiliano Irrati aus Italien überprüfte der 43-Jährige vor Spielfortsetzung die Situation selbst am Spielfeldrand und gab Elfmeter. Vom Handspiel bis zur Entscheidung dauerte es 130 Sekunden.

Aus Sicht des kroatischen Trainers Zlatko Dalic war die Entscheidung nicht richtig. "Ich kommentiere nie Schiedsrichter-Entscheidungen", sagte er und fügte dann hinzu: "In einem WM-Finale gibst du so einen Elfmeter aber nicht."

Mehr Gerechtigkeit

"Man kann den Elfmeter geben. Ohne Videobeweis hätte es ihn nicht gegeben", analysierte der Schweizer Ex-Referee Urs Meier im ZDF und fügte spöttisch hinzu: "(Fifa-Präsident Gianni) Infantino hatte gesagt, dass er mehr Gerechtigkeit wollte, jetzt haben wir mehr Gerechtigkeit." Auch Nigerias WM-Trainer Gernot Rohr unterstützte die Entscheidung Pitanas. "Wenn die Hand vom Gegner weg ist, ist es ein klarer Elfmeter", sagte der Deutsche. So habe es der Weltverband Fifa in Lehrgängen vor der WM erklärt.

Laut offizieller Fifa-Zählung war es das 20. Mal, dass der Videobeweis bei seiner WM-Premiere in Russland zum Einsatz kam. Die Video-Assistenten sollten nur bei einer klaren Fehlentscheidung einschreiten. "Der Videobeweis macht den Fußball ehrlicher und transparenter", lobte Infantino in seiner Bilanz.

Schwalbe übersehen

Dabei brachten jedoch gerade die Bewertung von Handspielen reichlich Diskussionen mit sich. Wenn ein Spieler sich selbst an die Hand spielt oder köpft, kann es kein Handspiel sein, stellte Fifa-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina klar. Dies war jedoch bei Perisic nicht der Fall.

So hatte Pitana Glück, dass ihn die insgesamt vier Video-Assistenten unterstützten. Ansonsten zeigte der erfahrene Argentinier, der schon das Eröffnungsspiel geleitet hatte, nach einem starken Turnier eine mäßige Vorstellung. Pitana übersah unter anderem eine Schwalbe von Griezmann vor dem Freistoß zu Frankreichs 1:0 – dies lässt sich aber den Regeln nach nicht durch den Videobeweis überprüfen.