Schwimmer Schwingenschlögl über seinen Weg zu Olympia

19.4.2021, 05:58 Uhr

„Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich da vorne mitschwimmen kann“: Fabian Schwingenschlögl nach der Olympia-Qualifikation in Heidelberg. © Uwe Anspach, dpa

Herr Schwingenschlögl, Sie kommen aus Nürnberg, waren in Heidelberg, haben in den USA studiert, zuletzt schwammen Sie in Eindhoven auf einem Wettkampf. Wo sind Sie eigentlich zuhause?

Schwingenschlögl: Ich lebe jetzt seit drei Jahren in Neckarsulm, weil ich hier einen Teilzeitjob machen und meinen Sport parallel mit Hinblick auf Tokio ausüben kann.

Wie kam es dazu? Vor der Rückkehr nach Deutschland waren sie in den USA immer der Deutsche, dessen Namen die Menschen nicht aussprechen konnten.

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Schwingenschlögl: Nach meiner College-Zeit hat sich mein damaliger Trainer Christian Hirschmann darum gekümmert, dass ich hier eine Stelle basierend auf meinem Abschluss als Ingenieur bekomme. Er hat gute Verbindungen in die Wirtschaft und hilft mehreren Sportlern, sich neben dem Sport ein Standbein aufzubauen. Derzeit arbeite ich 20 Stunden pro Woche als Fertigungsplaner bei der Firma KACO new energy, einer Tochter der Siemens AG, um mein Geld neben dem Sport verdienen zu können.

Da bleibt wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit für andere Dinge als Arbeit und Training.

Schwingenschlögl: (lacht) Die Zeit ist auf jeden Fall weniger geworden. Bevor ich aber auf der Couch sitze und nichts mache, tut es schon gut, auch etwas neben dem Sport zu haben. Manchmal steigert man sich beim Sport sehr hinein, wenn mal ein Training oder ein Wettkampf gut oder schlecht läuft. Die Arbeit hilft mir, da etwas Abstand zu bekommen und Freude in etwas zu finden, das nichts mit Schwimmen zu tun hat. Meine Freundin arbeitet auch Teilzeit, das macht es einfacher und sorgt für einen gut getakteten Ablauf. Training, Frühstücken, Arbeiten, dann wieder ins Training – und abends haben wir Zeit für uns selbst.

Olympia im Lebenslauf

Die Qualifikation für Olympia 2016 in Rio haben Sie damals knapp verpasst. Da kann man wahrscheinlich sagen: Jetzt zeige ich es Euch allen! Oder man lässt sich hängen. Wie war das bei Ihnen?

Schwingenschlögl: Es war nicht leicht. Zum Glück war ich damals noch jünger, sodass ich einen zweiten Anlauf nehmen konnte. In die nächsten Jahre bin ich mit dem Mindset reingegangen, dass ich es auf jeden Fall nach Tokio schaffen möchte, weil mir die Teilnahme bei Olympischen Spielen noch in meinem Schwimm-Lebenslauf gefehlt hat.

Der ja ansonsten fast perfekt ist.

Schwingenschlögl: 2020 war nicht einfach, weil ich nochmal ein Jahr warten musste, die Unsicherheit war schon schwierig. Als ich zuletzt die Quali geschwommen bin, war die Vergangenheit natürlich im Hinterkopf – aber eher positiv, im Sinne von: Ich schaffe es jetzt, dann gibt es keine Diskussionen mehr.

"Wollte es mir selbst beweisen"

Sie haben dann erst die Quali-Norm geschafft und anschließend einen zwölf Jahre alten Rekord gebrochen.

Schwingenschlögl: Ich wollte es einfach mir selbst beweisen, dass ich da vorne mitschwimmen kann. Mein Ziel war ja nicht nur, an Olympia teilzunehmen, sondern ich möchte auch um etwas schwimmen. Nicht unbedingt um eine Medaille, aber um vordere Plätze oder eine Final-Teilnahme.

Derzeit stehen Sie mit Ihrer Zeit auf Platz sechs der Welt.

Schwingenschlögl: Die Weltrangliste darf man nicht so bewerten, weil manche noch nicht geschwommen sind. Es zeigt aber schon, dass ich vorne dabei bin. Der Abstand zwischen Platz zwei und zehn ist relativ knapp, den Führenden Adam Peaty nehme ich mal raus, weil der in einer anderen Welt schwimmt. Ich möchte vom Vorlauf ins Halbfinale und von dort ins Finale. Wenn man dort ist, dann ist es ein ganz neues Rennen.

Auch mal die Ruhe bewahren

Es wäre ja auch vermessen zu sagen: Ich fliege nach Tokio und hole dort Gold.

Schwingenschlögl: Man kann ja gar nicht um Gold schwimmen, man schwimmt erst einmal um eine gute Zeit. Ich möchte dorthin fahren, um eine Bestleistung zu schwimmen. Wieviel die dann wert ist, sieht man vor Ort.

Sie sind offensichtlich im Alter immer besser geworden. Woran liegt das? War die Zeit in den USA so wertvoll? Oder ist es einfach die Erfahrung?

Schwingenschlögl: Es ist von allem ein bisschen, die Erfahrung macht aber schon viel aus. Ich habe so viele Stationen und Trainer erlebt, dass ich mir einen gewissen Wissensschatz aneignen konnte, um zu wissen, wie ich mit verschiedenen Situationen umgehen muss. Zum Beispiel, dass man auch mal die Ruhe bewahrt, ein bisschen Abstand nimmt – damit bin ich besser geworden. Zuletzt bin ich ja drei Jahre lang keine Bestleistung mehr geschwommen. Wäre ich daran verzweifelt, hätte ich alles hinschmeißen können.

Haben Sie glücklicherweise nicht.

Schwingenschlögl: Ich hatte immer die Geduld und den Willen, besser zu werden. Man unterschätzt manchmal den Willen, wieviel man auch im höheren Schwimmeralter noch leisten kann.

Diese Geduld muss man als Sportler sicher lernen.

Schwingenschlögl: Definitiv. Wenn man jung ist, will man alles erreichen und alles aus dem Weg räumen, was einem entgegen kommt. Die Geduld kommt mit der Zeit, auch mit Niederlagen. 2016 war ja auch eine Niederlage. Ich habe mich nicht unterkriegen lassen und einen neuen Anlauf gewagt.

Stolzes Mitglied beim FCN

Als Kind hat Fabian Schwingenschlögl (29) noch, wie seine Eltern, beim SV Schwaig Volleyball gespielt. Erst mit elf Jahren fing er beim 1. FCN mit dem Schwimmen an. Später trainierte er am Olympia-Stützpunkt in Heidelberg sowie in den USA, wo er auch studierte und mit Weltstars im Becken war. Zuletzt hat er mit 58,95 Sekunden über 100m Brust einen deutschen Rekord aufgestellt. © Uwe Anspach, dpa

Sie haben mal gesagt, Ihr Ansporn sei, den Leuten eine gute Show zu bieten. In Tokio wird es anders sein, weil eben nicht viele Zuschauer dabei sein werden.

Schwingenschlögl: Die Show bezieht sich ja nicht nur auf das Geschehen vor Ort. Ich will dort hinfahren und eine gute Leistung abliefern, weil das auch dem deutschen Schwimmsport hilft. In den letzten Jahren war es nicht einfach. Ich möchte in Tokio auch mit der Staffel überzeugen – Top fünf oder Top acht wären ja auch gut. Das ist alles besser als die Nachricht: "Deutschland wieder im Vorlauf ausgeschieden."

Ein Erfolg von Fabian Schwingenschlögl wäre auch Werbung für Nürnberg und den 1. FCN Schwimmen, bei dem Sie ja noch Mitglied sind – auch wenn Sie nicht mehr hier leben.

Schwingenschlögl: Zuletzt hat es sich wegen Corona nicht ergeben, aber in den Jahren zuvor bin ich immer auch bei den Vereinsmeisterschaften geschwommen. Ich bin ein stolzes Mitglied des Vereins, meine Eltern sind ebenfalls noch Mitglied. Ich habe dem FCN ja viel zu verdanken. Trainer Heiner Seitz hat mich zum Schwimmen gebracht und die Grundlagen gelegt, ich bin in Nürnberg zur Schule gegangen, es ist meine Heimat, mit der ich immer verbunden sein werde.

Später mal Trainer?

Viel Zeit für Ausflüge in die Heimat werden Sie aber kaum haben zwischen Arbeit, Training und den vielen Wettkämpfen.

Schwingenschlögl: An Weihnachten war ich daheim, aber wir haben dann vereinbart, dass wir keine Besuche mehr machen, damit wir und auch meine Eltern sicher sind. Ich versuche immer auch, andere Leute zu schützen. In der Arbeit bin ich ja vor Ort und nicht im Homeoffice, das ist meinem Job geschuldet. Wenn Corona nicht wäre, würde ich öfter mal nach Nürnberg kommen und mich auch im Clubbad sehen lassen.

Zwei Nürnberger auf dem Weg nach Tokio: Fabian Schwingenschlögl (links) mit Para-Athlet Taliso Enge. © Foto: Jochen Stetina

Vielleicht kommen Sie ja in fünf Jahren zurück und werden dann Schwimmtrainer beim FCN.

Schwingenschlögl: Meine Freundin und ich überlegen schon, wieder in die Heimat zu ziehen. Wahrscheinlich wird es Schwandorf, wo sie herkommt, aber das ist ja auch nicht weit weg. Ich spiele schon mit dem Gedanken, Trainer zu werden, denn ich könnte sicher vielen Leuten helfen mit meinem Wissen. Das werde ich mir alles im nächsten Jahr mal durch den Kopf gehen lassen.

Zuerst zählt aber Olympia, für alles andere ist danach Zeit.

Schwingenschlögl: Man darf diese Gedanken schon zulassen, man sollte sie nicht wegdrücken, denn die können hilfreich sein, um den engstirnigen Fokus vom Schwimmen auch mal wegzubekommen.