Leitl hält am Fürther Weg fest

Die Systemfrage wird beim Kleeblatt nicht gestellt

7.9.2021, 12:26 Uhr

In dieser Woche will Stefan Leitl noch konzentrierter arbeiten, alle Trainingseinheiten finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. © Sportfoto Zink / Wolfgang Zink, Sportfoto Zink / Wolfgang Zink

Der Moment war natürlich eigentlich nicht besonders gut geeignet, um über die Zukunft nachzudenken. In diesem Moment hatte Paul Seguin ja genug damit zu tun, in der Gegenwart einigermaßen unfallfrei die Tribüne herunterzuklettern. Im Mai, als der Bundesligaaufstieg der Spielvereinigung Greuther Fürth noch keine 24 Stunden alt war, sollte der Mittelfeld-Chefdirigent auch noch diese Frage beantworten: Kann das Kleeblatt seinen Stil, den mutigen Offensivfußball, auch gegen deutlich stärkere Gegner durchziehen?

Zwei Stunden hatte Seguin damals lediglich geschlafen nach dem überragenden Erfolg seiner Mannschaft. Die Bitte, nach einer letzten Kabinenansprache noch einmal aufs Feld zu den Reportern zu kommen, schien ihm Mühe zu bereiten, aber jetzt wirkte er hellwach. "Wir haben gegen Hoffenheim im Pokal gezeigt, dass wir mithalten können. Wir waren sogar die bessere Mannschaft", sagte also Seguin und stellte die Gegenfrage: "Warum soll uns das nicht auch gegen andere Mannschaften gelingen?"

Sollte Fürth nicht besser mauern?

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Bislang sind Seguin und seine Mitspieler den Beweis schuldig geblieben, dass ihnen das noch einmal gelingen kann: einen Bundesligisten zu schlagen. Allerdings ist die Saison ja auch erst drei Spieltage alt. Gegen den VfB Stuttgart war die Mannschaft von Stefan Leitl einigermaßen chancenlos. Gegen Arminia Bielefeld präsentierte sie sich deutlich verbessert und verpasste es, sich mit mehr als einem Punkt zu belohnen. Gegen Mainz 05 war sie aber wieder klar unterlegen.

Weshalb einige anschließend gleich mal die Systemfrage stellen wollten: Kann dieses weitgehend ohne Bundesligaerfahrung ausgestattete Team seine Auftritte tatsächlich weiter so forsch angehen und kann der Trainer an seinen Prinzipien festhalten? Müsste man sich jetzt nicht lieber mal in biederem Defensivfußball versuchen? Mauern, was das Zeug hält, Bälle aus dem Stadion dreschen, kurze Rückpässe statt riskante diagonale Seitenwechsel über das halbe Feld, die Null muss stehen - sowas eben.

"Müssen schnell eine Mannschaft werden", sagt Leitl

Stefan Leitl hat keine Lust, die Systemfrage zu stellen. Vor allem hat er gute Argumente, sie nicht zu stellen. "Es liegt ja nicht an der Art und Weise, dass wir Spiele verlieren", findet er; sondern daran, dass seine Spieler noch zu viele Fehler machen; daran, dass die individuelle Qualität der Gegner gestiegen ist, während das Kleeblatt noch am Verlust von vier enorm wichtigen Säulen der Aufstiegsmannschaft zu knabbern hat.

Die Verluste hoffen sie nun auch durch die jüngsten Verpflichtungen ausgleichen zu können, alleine am letzten Tag der Transferperiode konnte Manager Rachid Azzouzi noch drei Spieler von einer Unterschrift in Fürth überzeugen. "Wir müssen nun so schnell wie möglich zu einer Mannschaft werden" beschreibt Leitl seine Hauptaufgabe. Am Wochenende hat auch er mal zu Hause im Kreise der Familie durchgeatmet, davor durfte er sich über eine "sehr gute Trainingswoche" und einen 2:1-Sieg im Testspiel gegen Regensburg freuen. Der Jahn ist aktuell Tabellenführer der zweiten Bundesliga, die Aussagekraft ist aber natürlich überschaubar: Am Samstag geht es um 15.30 Uhr im Ronhof ebenfalls gegen einen Tabellenführer, allerdings den Tabellenführer der ersten Bundesliga.

Das Kleeblatt schottet sich ab

Vor dem Aufeinandertreffen mit dem VfL Wolfsburg schottet sich das Kleeblatt ab. Alle Trainingseinheiten finden in dieser Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, Stefan Leitl möchte ein "bisschen was Neues ausprobieren". Eine Mannschaft von der Qualität des VfL vor überraschende Aufgaben zu stellen, hält er nicht für die schlechteste Idee.

Also doch ein Systemwechsel? Nein, sagt Leitl. "Wir werden nicht den Mannschaftsbus ins Tor stellen. Um glaubwürdig zu bleiben, darf man nicht gleich von seiner Philosophie abweichen", findet er. Anpassungen, na klar, die wird er immer wieder vornehmen, aber an seiner mutigen, offensiven Herangehensweise, Fußball spielen zu lassen, wird er nicht grundsätzlich etwas ändern. Genau das, erinnert Leitl, sei schließlich der Grund gewesen, warum sie ihn in Fürth verpflichtet hätten - und ist, nicht erst seit dem Aufstieg, das Aushängeschild des Vereins. "Dieser Weg hat uns dahin geführt, wo uns niemand erwartet hätte", sagt Leitl. Und den sie weitergehen wollen, selbst wenn am Ende der Spielzeit der Abstieg stehen sollte.

"Wir haben nichts zu verlieren", findet Seguin

Der Unterstützung seines emotionalen Anführers dürfte er sich damit sicher sein. Trotz der kleinen Augen offenbarte Paul Seguin im Mai erstaunlich viel Weitblick. "Wenn wir es nicht schaffen", sagte er, "dann kriegen wir halt mal einen auf die Mütze. Aber wir sollten nie von unserer Identität abweichen. Wir sollten immer den mutigen Offensiv-Fußball spielen, den wir auch in der zweiten Liga gespielt haben. Wir haben nichts zu verlieren."