Teil der DFL-Taskforce: Der Club soll die Zukunft mitgestalten

17.10.2020, 13:33 Uhr

Mario Hamm ist kein Mensch, den es in die Öffentlichkeit drängt. Beim 1. FC Nürnberg werkelt der 39-Jährige als Finanzdirektor seit Jahren eher im Hintergrund, für die Kommunikation mit den Medien und vor allem der Mitglieder sind die jeweiligen Vorstände und Abteilungsleiter zuständig. "Mir geht es um Inhalte, nicht um Titel. Ich will einfach meine Arbeit machen", sagt Hamm. Und die macht er offenbar so gut, dass auch die Deutsche Fußball Liga (DFL) gesteigerten Wert auf die Expertise des Nürnbergers legt.

Nachdem Hamm bereits seit 2019 in der Liga-Kommission "Finanzen" sitzt, wurde er nun auch in die neu gegründete Taskforce "Zukunft Profifußball" berufen – ein 35-köpfiges Gremium, in dem Persönlichkeiten aus Sport, Gesellschaft, Politik, Medien und Wirtschaft "Entwicklungen der Vergangenheit reflektieren, interdisziplinär diskutieren und gegebenenfalls gangbare Wege für die Zukunft entwerfen" sollen, wie es die DFL etwas hochtrabend formuliert hat.

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Bierhoff, Eberl und Bobic an Bord

In verschiedenen Arbeitsgruppen stehen die Themen Wettbewerbsbalance, Zahlungsströme, gesellschaftliche Verankerung, Ethik-Richtlinien, Fan-Interessen, wirtschaftliche Stabilität und Förderung von Frauenfußball auf der Agenda. DFB-Direktor Oliver Bierhoff ist ebenso an Bord wie Borussia Mönchengladbachs Sportdirektor Maxi Eberl, Eintracht Frankfurts Sportvorstand Fredi Bobic und die aktiven Profis Robin Himmelmann (FC St. Pauli) und Andreas Luthe (Union Berlin).

Dazu kommen etwa die Chefredakteure Jörg Jakob (kicker) und Philipp Köster (11 Freunde), Politiker wie Britta Dassler (FDP), Lars Klingbeil (SPD), Cem Özdemir (Grüne) und Martin Schulz (SPD), die frühere Leichtathletin Sylvia Schenk als Leiterin der Arbeitsgruppe Sport Transparency International Deutschland sowie Justitiare, Akademiker, Marketingexperten und Vertreter von Fanbündnissen.

Dass diesem illustren Kreis der Mitarbeiter eines Zweitligisten angehört, erscheint nicht unbedingt selbstverständlich. "Vielleicht ist es ja nicht verkehrt, wenn da auch einer sitzt, der nicht so mit sportlichen Erfolgen gesegnet ist und einen etwas anderen Blickwinkel hat", findet Hamm.

"Werden nicht für alles die Lösung haben"

Zudem hat sich in Nürnberg der kaufmännische Vorstand Niels Rossow bereits intensiv mit der Zukunft des Profifußballs auseinandergesetzt und ein visionäres Strategiepapier entwickelt, das bei der DFL viel Beachtung gefunden haben soll – und wohl auch dazu beigetragen hat, dass man in Frankfurt in dieser Taskforce gerne einen Vertreter des 1. FCN sitzen sehen wollte.

Das Kompetenzteam betrachtet Hamm als "einen übergeordneten Schirm, um Interessen zu diskutieren und Prioritäten festzulegen". Doch die Themen sind hochkomplex. "Wir werden nicht für alles die Lösung haben, und wir werden auch nicht den Impfstoff entwickeln", sagt Hamm, "aber wir müssen versuchen, schnell pragmatische Lösungen zu entwickeln. Es funktioniert nur miteinander."

Dieser Prozess werde "auch nicht in drei Monaten zu Ende sein", prophezeit Hamm, es werde "spannend, wie der Fußball seine Bedeutung in der Gesellschaft anders interpretiert". Die oft gehörten Vorwürfe, der Profifußball habe seine Bodenhaftung verloren und müsse sich grundlegend verändern, sind Hamm allerdings zu pauschal. "Die Liga macht einen super Job", schwärmt er, das zum Teil komplexe und umfangreiche Lizenzierungsverfahren in Deutschland etwa sei "für alle Beteiligten ein stabiles und verlässliches Instrument".

Erarbeiteter Luxus für den FCN

Dass der Club bislang vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen ist, ist nach Hamms Einschätzung der zuvor betriebenen finanziellen Konsolidierung, die nach dem Aufstieg auch in der Bundesliga konsequent fortgesetzt worden war, zu verdanken: "Wir haben uns ja bewusst für diesen Weg zu Lasten des damaligen sportlichen Erfolgs entschieden. Das war im Nachhinein die beste Entscheidung, die wir treffen konnten." Denn es ist kein Geheimnis, dass der Club noch vor zwei, drei Jahren einer der ersten Vereine gewesen wäre, die eine solche "Erosion", wie Hamm es nennt, nicht überlebt hätten. Dass man nun trotz massiver Einbußen durch fehlende Zuschauereinnahmen und geschrumpfte TV-Gelder noch von einer "gefühlten Stabilität" sprechen kann, ist für Hamm "ein Luxus, den wir uns hart erarbeitet haben".

Geholfen hat in dieser Phase auch eine gewisse Routine im Umgang mit großen und kleinen Katastrophen. "Wir sind ja schmerzerprobt und kennen hier nur den Modus Kampf. Jeden Tag ans Limit gehen, aus Nichts alles machen, kreativ sein – wenn du diese Mentalität hast, erlebst du eine Krise anders", betont Hamm und fügt schmunzelnd an: "Wo sich andere erstmal sortieren mussten, haben wir nicht mal gezuckt."

Das digitale Einmaleins sitzt

Als Vorteil erwies sich zudem die Vorreiterrolle in Sachen Digitalisierung – ein Bereich, den Hamm am Valznerweiher mit viel Akribie und persönlicher Leidenschaft vorangetrieben hat, nicht umsonst ist der Verein Co-Innovationspartner des baden-württembergischen Softwarekonzerns SAP. "Das digitale Einmaleins muss sitzen", betont der promovierte Hochschuldozent. Dass die Mitgliederversammlung am 20. Oktober aufgrund der Pandemie erstmals virtuell stattfinden wird, hält Hamm für selbstverständlich. Wenn dadurch "vielleicht drei-, vier- oder fünfmal so viele Mitglieder teilnehmen können", sei das auch ein Stück weit gelebte Demokratie, findet Hamm, "das fühlt sich einfach besser an. Es ist wichtig, Feedback zu bekommen".

Auch wenn es manchmal etwas weh tun kann. Nach dem plötzlichen Abschied des damaligen Finanzvorstands Ralf Woy sprang Hamm im Februar 2015 als kommissarischer Vorstand ein und half mit, den maroden Verein vor der Insolvenz zu retten. Als die erbosten Mitglieder in der nächsten Hauptversammlung Woy und Ex-Sportvorstand Martin Bader die Entlastung verweigerten, traf diese eher symbolische Abstrafung dank des Abstimmungverfahrens en bloc auch Hamm – trotz nachweislich guter Arbeit. "Wer in fast 10 Jahren 6 Vorstände und 14 Trainer kommen und gehen sieht, hat das in der Fußballbranche wohl auszuhalten", sagt Hamm lapidar. Und manchmal ist es vielleicht wirklich nicht so verkehrt, nur in der zweiten Reihe zu stehen.