Ausnahme Abiama

Traum vom Bundesliga-Profi: Ohne NLZ keine Chance?

12.5.2021, 11:37 Uhr

Seltenes Bild: Kölns Jonas Hector (rechts) war auch nie in einem NLZ und duelliert sich hier mit Freiburgs Vincenzo Grifo, der nur ein Jahr im NLZ verbrachte.  © Eibner-Pressefoto/Gabriel Boia via www.imago-images.de

Dickson Abiama ist in der zu Ende gehenden Zweitliga-Saison förmlich durchgestartet. Als Flüchtling nach Deutschland gekommen, über die SpVgg Mögeldorf 2000, SG Quelle Fürth und den SC Eltersdorf vor der Saison zur Spielvereinigung Greuther Fürth gekommen, hat er nicht nur im Derby getroffen, sondern ist auch zu unerwartet viel Spielzeit gekommen.

Dabei ist der 22-jährige Nigerianer eine Ausnahmeerscheinung in den beiden obersten deutschen Fußball-Ligen: Er hat es zum Profi geschafft, ohne eines der Nachwuchsleistungszentren (NLZ) der Profi-Vereine durchlaufen zu haben. Fabian Schleusener beim 1. FC Nürnberg ist eines der wenigen anderen Beispiele für die Ausnahme von der Regel. Wie der Freiburger Vincenzo Grifo, der es bis zum italienischen Nationalspieler geschafft hat und erst im letzten Jugendjahr im NLZ des Karlsruher SC auftauchte.

"Der Junge will es wissen"

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"In der Regel wechseln die Jungs spätestens in der U15 an ein NLZ", hat Rainer Zietsch beobachtet. Der frühere Leiter des NLZ des Clubs und Co-Trainer des deutschen U15-Nationalteams konnte aus dem Gedächtnis keinen aktuellen Schützling nennen, der in einem "kleinen" Verein spielt. Oft seien es die Jugendlichen oder die Eltern, die Druck machten, "sich schon in jungen Jahren mit den Besten zu messen", an ein NLZ zu wechseln. "Die Wahrscheinlichkeit, Profi zu werden, ohne ein NLZ durchlaufen zu haben, ist in den letzten Jahren definitiv kleiner geworden."

"Frei von der Leber weg": So beschreibt Stefan Leitl den Stil von Dickson Abiama.  © Sportfoto Zink / Melanie Zink, Sportfoto Zink / Melanie Zink

Ähnlich sieht es Dieter Nüssing, FCN-Urgestein mit einem bundesweit geschätzten Näschen für Talente. "Von der Ausbildung her, durch das tägliche Training am NLZ sind die Chancen natürlich deutlich größer", sagt er. "Aber letztlich ist es eine Persönlichkeits- und natürlich Willensfrage." Und er erinnert an Philipp Wollscheid, den er im Saarland in der fünften Liga entdeckt und für die Club-U23 verpflichtet hatte. "Er hat gesagt: Herr Nüssing, das Geld ist mir egal, das hole ich mir später – an der Antwort habe ich gesehen, der Junge will es wissen." Dabei sei Wollscheid in einem Alter nach Nürnberg gekommen, in dem es unwahrscheinlich sei, den Durchbruch noch zu schaffen. "Bei uns ist es schwieriger über den zweiten Bildungsweg, weil die meisten mit 20, 21 nach zwei Jahren aussortiert werden, um Platz für die zu machen, die aus der A-Jugend nachdrängen."

"Nicht mehr frei von der Leber weg"

Stefan Leitl, der Trainer des Zweitliga-Aufstiegsaspiranten Fürth, hat im Jugendbereich reichlich Erfahrung gesammelt, vor seinem Engagement beim Kleeblatt auch beim FC Ingolstadt. Er bestätigt die Aussagen, seiner Expertenkollegen: "Es ist sicher noch einmal schwieriger, als wenn man in einem NLZ ausgebildet worden ist." Zumal dort so viele Talente unterwegs seien, dass kaum Platz für Quereinsteiger bleibe.

Aber es sei eben nicht unmöglich, erinnert Leitl an seinen früheren Schützling Maximilian Thalhammer, der erst in der U19 zum FCI gekommen, von ihm zu den Profis hochgezogen worden sei und heute für den Zweitligisten SC Paderborn aufläuft.

Dass die Ausbildung in einem NLZ aber nicht ausschließlich positive Seiten hat, macht der nachdenkliche Talenteförderer Leitl gleichfalls deutlich. "Die Spieler in vielen NLZ in Deutschland sind konditioniert, spielen nicht mehr Fußball frei von der Leber weg, wie es vielleicht ein Dickson Abiama macht." Der könne sich – ähnlich wie in seiner Ägide beim FCI auch Thalhammer – auf dem Spielfeld "frei bewegen, mal Dinge ausprobieren, mal eine Eins-gegen-eins-Situation mehr lösen". Das hat der Angreifer in dieser Spielzeit schon mehrmals bewiesen.