Mehr Passagieren am Airport 

Wie länge hält der Boom im Flugverkehr an?

19.8.2021, 10:05 Uhr

Im Sommer 2021 reisen doppelt so viele Menschen ab dem Nürnberger Airport  wie noch im Sommer 2020.  © Stefan Hippel, NN

Die Menschen wollen wieder raus und etwas von der Welt sehen. Dass im zweiten Pandemiejahr wieder mehr verreisen, zeigt sich auch am Albrecht Dürer Airport Nürnberg. „Wir verzeichnen schon jetzt einen Boom im Vergleich zum Vorjahr“, sagt Flughafensprecher Christian Albrecht. An die Zahlen des Jahres 2019 mit 700 000 Passagieren in den Sommerferien kommt der Flughafen zwar nicht heran. Aber mit rund 300 000 sind es doppelt so viele wie noch im Sommer 2020.

Mit der steigenden Immunisierung steigen die Fluggastzahlen. Doch das Reisejahr 2021 unterscheidet sich deutlich zu früheren Jahren. Urlauber buchen jetzt flexibel und kurzfristig. Im Schnitt entscheiden sie sich zwei Wochen vor Reiseantritt für eine Destination. „Davon wollte die Branche eigentlich weg“, sagt Albrecht. Das hatte wirtschaftliche Gründe. Das Geld, das schon zu Jahresbeginn bei Reiseanbietern und Fluggesellschaften einging, konnten die Unternehmen investieren. Diese Möglichkeit fehlt nun. Wann Urlauber wieder Frühbucher-Angebote nutzen, ist völlig offen.

Anders sah das vor Corona aus. Bis 2019 boomten Flugreisen. Ohne Anbieter wie Ryanair oder Wizz Air wäre das undenkbar gewesen. Auch Lufthansa oder Air France senkten ihre Ticketpreise, um im Sektor Billigflüge mitzumischen. Lufthansa gründete gar eine eigene Linie, die Eurowings.

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Dann kam die Pandemie und veränderte vieles. Aus Kostengründen verkleinerten mehrere Unternehmen ihre Flotten. Lufthansa will künftig nur noch mit 650 statt 800 Flugzeugen operieren, TUIfly betreibt 22 statt 35 Maschinen. Flugbegleiter, Piloten und Bodenpersonal verloren ihre Jobs oder wurden in Kurzarbeit geschickt. Einige wechselten die Branche und heuerten beispielsweise bei der Bahn an. Für all diejenigen, die weiterbeschäftigt wurden, haben die Gewerkschaften Krisentarifverträge abgeschlossen, um das Personal zu halten, wenn Nachholeffekte einsetzen. Diese seien schon jetzt zu spüren, so Stefan Schwerthelm, Vorstand Öffentlichkeitsarbeit bei der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation, kurz UFO: „Die Airlines setzen derzeit verstärkt auf Urlaubsreisen, die gut nachgefragt sind.“

In Zukunft müssen Passagiere aber infolge der Pandemie wohl mehr für Tickets bezahlen. Die Fluggesellschaften brauchen Geld, um Kredite zurückzuzahlen, die sie zu Beginn der Krise aufgenommen haben. Allein Lufthansa muss in den kommenden Jahren einen beachtlichen Schuldenberg tilgen: Von den insgesamt neun Milliarden Euro Staatshilfen, die bereitgestellt wurden, hat die Fluggesellschaft nach eigenen Angaben 2,3 Milliarden abgerufen. Obendrauf kommen Zinsen.

Wie sehr die gesamte Branche im zweiten Pandemiejahr trotz staatlicher Unterstützungen kämpft, verdeutlichen Zahlen, die der Weltverband der Linien-Fluggesellschaften IATA veröffentlicht hat: 126 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 108 Milliarden Euro) Verlust hat die Luftfahrtbranche 2020 gemacht. Heuer könnte laut Verband ein zweistelliges Milliardenminus hinzukommen. In einem Interview mit dem Fachmagazin Aero sagte Ryanair-Chef Michael O’Leary zwar, dass sich der Flugverkehr dank eines enormen Nachholbedarfs sehr stark erholen werde. Aber der Firmenboss gab im Spiegel kürzlich auch zu: „Wenn die Pandemie vorbei ist, wird das bei vielen Airlines zu Preissteigerungen führen“.

Mehr Flüge bei steigender Nachfrage

Dennoch wagt auch Jens Bischof, Chef von Eurowings, einen optimistischen Blick in die Zukunft. „Der positive Trend verstärkt sich sogar. Wir haben Flüge, die sich mittlerweile innerhalb von Tagen füllen. Und wir laden nach, das heißt, wir stellen neue Flüge ins System, sobald wir merken, dass die Nachfrage entsprechend ist“, sagte er in einem Fernsehinterview.

Für die Sommersaison 2022 geht die Fluggesellschaft, die ab Nürnberg nach Palma de Mallorca abhebt, laut einer Presseerklärung erstmals wieder von Wachstum aus und schreibt schon jetzt 250 zusätzliche Flugbegleiter-Stellen aus. „Probleme, genug Flugbegleiter für einen Aufschwung zu rekrutieren, wird es wohl nicht geben“, sagt UFO-Funktionär Stefan Schwerthelm. Die aktuellen Stellenausschreibungen zielen besonders auf junge Menschen ab, die nach dem Abitur Lust haben, die Welt zu entdecken.

Laut Airport-Sprecher Albrecht sind die Fluggesellschaften und Flughäfen im ständigen Austausch, um das Angebot schnell nach oben schrauben zu können, wenn es das Infektionsgeschehen zulässt und sich die Menschen ihren Wunsch nach einer Reise auf die Malediven, nach Madeira oder Mexiko erfüllen können. Derzeit wird mit Hochdruck an Winterflugplänen gebastelt. Auch in Nürnberg wird dieser mehr Ziele als noch vor einem Jahr haben. Ob die Strecken tatsächlich nachgefragt werden, hängt vom Pandemieverlauf ab. „Wir haben leider keine Glaskugel“, sagt Christian Albrecht.