Frühzeitig vorsorgen

ETF oder Immobilie: Welche Strategie eignet sich für die Altersvorsorge?

17.10.2021, 05:55 Uhr

Viele Bundesbürger wissen nicht, wie sie für ihr Alter vorsorgen können.  © imago images/blickwinkel, NN

Hätte sie mehr darüber gewusst, hätte Helena Neubauer schon viel früher begonnen. "Man hat mir zwar schon in der Schule vorgebetet, dass meine Rente unsicher ist. Aber wie ich vorsorgen kann, wurde meiner Erinnerung nach nie thematisiert. Mein Wissen darüber habe ich mir mühsam selbst erarbeiten", erzählt die 26-jährige Neubauer, die in Wirklichkeit anders heißt, bei Finanzthemen aber lieber anonym bleiben will.

Keine Rendite ohne Risiko

Beim Thema Altersvorsorge herrscht in Deutschland große Unsicherheit. 44 Prozent der Bundesbürger wissen nicht, wie sie ihr Geld am besten fürs Alter anlegen können, so das Ergebnis einer aktuellen YouGov-Umfrage. Das hat gravierende Folgen: Ende 2020 erreichte die Zahl der Senioren, die auf Grundsicherung angewiesen sind, einen neuen Höchststand. Vor allem Frauen leben im Alter zudem von weniger Geld: Im Vergleich zu Männern erhielten sie im Jahr 2019 eine um 46 Prozent geringere Rente.

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Helena Neubauer weiß um die Problematik. Seit ein paar Monaten investiert sie einen Teil ihres monatlichen Einkommens und ihres Ersparten deshalb am Aktienmarkt, konkret in sogenannte ETFs. Hinter diesen "Exchange Traded Funds" versteht man börsengehandelte Indexfonds, die in der Regel einen Börsen-Index wie den Deutschen Aktienindex Dax oder den Weltindex MSCI eins zu eins nachbilden. Anlegerinnen und Anleger kaufen damit also nicht einzelne Aktien, sondern investieren in einen ganzen Markt - und das im besten Fall über einen langen Zeitraum.

Diese "passiv" genannte Art des Investierens hat durchaus Vorteile, weswegen sie in den vergangenen zehn bis 20 Jahren deutlich an Popularität gewonnen hat: So brauchen Privatanleger keine Fondsmanager, da über einen Sparplan monatlich automatisiert in die ETFs investiert wird.

Thiess Büttner ist seit 2010 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. © FAU, NN

Doch ohne Risiko ist das natürlich nicht, mahnt Thiess Büttner, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. In ETFs investiertes Geld unterliege wie alle anderen Aktienanlagen Schwankungen. "Wertverluste im Auf- und Ab der Börsen könnten daher nicht ausgeschlossen werden." Die Finanzgeschichte habe aber gezeigt, dass sich die Schwankungen auf lange Sicht ausgleichen, sodass über längere Zeiträume eine vergleichsweise hohe Rendite erzielt werden könne. Wer mit ETFs langfristig seine Rente aufbessern wolle, müsse also möglichst früh in den Markt einsteigen, dann "ist das durchaus eine vernünftige Idee", schließt Büttner.

Finanzielle Bildung als Schlüssel

Doch das ist nicht die einzige Möglichkeit Vermögen aufzubauen. Auch Investitionen in Immobilien sind angesichts der Niedrigzinsphase derzeit beliebt. "Hier sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob das Objekt als Eigenheim dienen soll oder ob man vermietet." Wer plane, in der Region zu bleiben, für den sei ein Eigenheim durchaus eine gute Möglichkeit, sein Geld zu nutzen, statt es auf dem Konto liegen zu lassen.

Wer vermieten will, um daraus Einnahmen zu erwirtschaften, muss aber noch mehr beachten: "Das kann gut gehen, wenn der Standort gut läuft und Bevölkerungszuwächse zu verzeichnen sind. Wenn aber der Standort in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dann sind die Erträge möglicherweise sehr klein", betont Büttner. Auch bei dieser Strategie gebe es also durchaus Risiken.

Genau diese Fragen beschäftigen derzeit auch Helena Neubauer. Sie überlegt, zusätzlich zu ihrem ETF-Sparplan mit ihrem Partner auch noch in eine Immobilie zu investieren. "Damit wir auch noch etwas Handfestes haben und uns im Alter die Miete sparen. Allerdings verunsichern uns die aktuell hohen Immobilienpreise."

Auch das Thema ETFs hatte sie anfangs verunsichert. "Ich bin generell ein risikoscheuer Mensch. Und weil man in der Schule nichts darüber lernt, ist es auch verständlich, wenn die Angst vor dem Aktienmarkt bei vielen da ist." Auch Eltern sollten sich viel früher mit dem Thema beschäftigen, findet sie: "Statt frühzeitig Geld für die Kinder auf ein Sparbuch zu legen, könnte man beispielsweise in ETFs investieren. Dadurch kommen Kinder frühzeitig mit dem Thema in Berührung."

Ein Plädoyer, das auch Büttner unterstützt: Finanzielle Bildung sei der Schlüssel, um viele politische Vorgänge zu verstehen, so der Volkswirtschaftler. Die Rente sei davon nur ein Punkt - obgleich ein wichtiger: "Die Sorgen vieler Jüngerer vor einer niedrigen Rente sind ja begründet." Dennoch scheine die Politik nicht im Stande, Reformen durchzuführen, um das System auf Dauer zu stabilisieren. "Insofern ist es mehr als nachvollziehbar und vernünftig, wenn sich Jüngere jetzt schon überlegen, wie sie alternativ vorsorgen."