Siemens-Chef Kaeser fordert Hilfe der Regierung

7.10.2015, 18:39 Uhr

Joe Kaeser sieht im Konkurrenz-Kampf mit Firmen aus Schwellenländern auch die Bundesregierung in der Pflicht, Unternehmen zu unterstützen. © dpa

"Wir sehen zunehmend, dass im internationalen Wettbewerb, beispielsweise aus China oder Japan auch staatlich unterstützte Projekte angeboten werden, auf die wir keine richtige Antwort haben." Hintergrund sind sich häufende Klagen deutscher Firmen, dass sie beim Wettbewerb um Großaufträge etwa in Schwellenländern nicht zum Zuge kommen. Regierungen wie die chinesische oder japanische helfen ihren Unternehmen, indem sie Zuschüsse oder Kredite für den Bau von Kraftwerke oder Verkehrsverbindungen in anderen Ländern anbieten. Wer seine Finanzierung nicht selbst mitbringe, müsse mit ausländischen Regierungen bei Großprojekten zudem eine Debatte über einen hohen Anteil an lokalen Arbeitsplätzen (local content) führen, um Aufträge zu erhalten, sagte Kaeser.

Umverteilung von Ressourcen ins Ausland

"Das führt zwangsläufig zur Umverteilung von Ressourcen - weg aus Deutschland", warnte der Siemens-Chef. Sein Unternehmen habe im vergangenen Jahr 33.000 neue Jobs im Ausland geschaffen, aber in Deutschland Arbeitsplätze abbauen müssen."Auch um diesem Trend entgegenzuwirken, bieten sich stärkere Exportfinanzierungen an."

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Dass dies längst keine theoretische Debatte mehr ist, bekommt der Dax-Konzern mit seinen Aktivitäten etwa im Energie- oder Verkehrssektor immer häufiger zu spüren - auch gerade in Indien, wo die Regierung unter anderem den Bau große neuer Bahnstrecken plant. "Der erste Abschnitt einer dreiteiligen Projektierung wurde an japanische Firmen vergeben, weil sie etwa zehn Milliarden Dollar an Finanzierung ihrer Regierung mitbrachten. Der indische Eisenbahnminister hat deutlich gesagt: 'Wer das Geld bringt, bekommt den Auftrag'", sagte Kaeser, der Teil der Wirtschaftsdelegation war, die Bundeskanzlerin Angela beim Besuch in Indien begleitet hatte.

Anschubfinanzierung in Schwellenländern nötig

Firmen etwa aus China oder Japan gingen mit Komplettfinanzierungs-Paketen mittlerweile auch in den USA im Energiesektor in Ausschreibungen. "Aber in der Hauptsache sind es Schwellen- und Entwicklungsländer wie Indien oder Ägypten, die eine Anschubfinanzierung mit späterer Rückzahlung der Kredite brauchen, um den Ausbau ihrer Infrastruktur und damit den Aufbau ihres Landes zu ermöglichen."

Genau hier sieht die deutsche Industrie aber große Zukunftschancen. "Wir brauchen ein level-playing-field - gleiche Wettbewerbsbedingungen -, damit wieder Innovation, Technologie und Service über einen Wettbewerb entscheiden", forderte Kaeser. Die Europäer hätten sich viel zu lange darauf konzentriert, mit dem EU-Beihilferecht unfairen Wettbewerb zwischen EU-Firmen zu verhindern. Das sei ein wichtiger Fortschritt. "Aber jetzt ist spätestens Zeit, dass wir das in einem globalen Kontext sehen und nicht mehr reduziert auf den Europäischen Binnenmarkt."

Berichte über international aggressiv auftretende französische Wettbewerber wollte Kaeser nicht kommentieren. Er betonte aber: "Deutschland und seine Unternehmen haben sich immer sehr diszipliniert an die Regeln gehalten. Das sollte sicher auch für alle europäischen Akteure gelten."

Kaeser erwartet Hilfe von Bundesregierung

Während der Siemens-Chef in dieser Frage Unterstützung bei Merkel sieht und von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel erwartet, dürfte die größte Hürde beim Finanzministerium liegen. Denn dieses wäre für größere Finanzierungsleistungen etwa über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zuständig - und muss auch Ausfälle bei den staatlich abgesicherten Exportbürgschaften übernehmen. "Natürlich stellt sich die Frage für einen Finanzminister, was die Berechtigung solcher Hilfen ist", räumte Kaeser ein. "Aber der Export schafft Beschäftigung im Inland, hält die Unternehmensgewinne im Land und erhöht das Steuersubstrat der Unternehmen. Das bedeutet eine Gegenfinanzierung für den potentiellen anfänglichen Aufwand." Wie genau eine verstärkte staatliche Hilfe aussehen könne, wolle er nicht sagen. Ein Paket könne am Ende verschiedene Elemente des Staates und der Unternehmen enthalten. "Eine intensive Prüfung ist wichtig, damit keine verbotenen Beihilfe-Tatbestände entstehen." Kaeser warnte aber davor, sich bei der Debatte gleich am Anfang Denkverbote aufzuerlegen. Eine Reform der Hermens-Bürgschaften könne "ein guter Anfang" sein. "Aber am Ende des Tages muss man sich daran orientieren, was die internationalen Wettbewerber machen."