Thomas Cook: Kunden warten noch immer auf Entschädigung

21.2.2021, 06:00 Uhr

Viele Kunden von Thomas Cook warten noch immer auf ihre Entschädigung. © Marcel Kusch, Marcel Kusch/dpa

Erst die Pleite von Thomas Cook, dann Corona. In Sachen Urlaub waren die vergangenen 13 Monate für die reisefreudigen Weingärtners aus Nürnberg eher dürftig. Eigentlich hätte 2020 mit einer mehrwöchigen Pauschalreise nach Teneriffa beginnen sollen.

Doch nach der Insolvenz des Veranstalters Thomas Cook im September 2019, die in der Brache ein Beben auslöste, wurde die Reise abgesagt. Die anfängliche Enttäuschung darüber ist verflogen – doch auf Erstattung seiner Anzahlung wartet das Paar bis heute.

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Damit sind die Nürnberger nicht allein. Laut Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz wurden von den 105300 Anträgen auf Entschädigung erst knapp 58000 abschließend bearbeitet. Über 47000, darunter auch die Weingärtners, warten somit noch auf die Erstattung ihrer Anzahlung oder gar des gesamten Reisepreises.

Der Bund fürchtete eine Lawine von Gerichtsprozessen

Zur Erinnerung: Nachdem 2019 mit Thomas Cook der zweitgrößte europäische Pauschalreiseanbieter Insolvenz anmelden musste, war schnell klar, dass die angesetzte Versicherungssumme nicht ausreichen würde. Verantwortlich ist nicht der Versicherer Zürich, der die Kunden bereits anteilig entschädigt hat, sondern die Bundesregierung. Sie hatte jahrelang nicht nur mahnende bis drängende Worte von Verbraucherschützern und Reiseverbänden ignoriert, wonach die auf 110 Millionen Euro gedeckelte Versicherungsleistung im Falle von Großpleiten in der Branche nicht ausreichen würden. Vor allem hat sie gegen die Reiserichtlinie der EU verstoßen, wonach jeder Mitgliedstaat für „wirksamen Insolvenzschutz“ zu sorgen hat.



Weil der Staat eine Prozesslawine fürchtete, erklärte die Bundesregierung im Dezember 2020, dass man die „Thomas-Cook-Kunden nicht im Regen stehen“ lasse und für ausstehenden Entschädigungen aus der Schatulle des Bundeshaushalts aufkommen werde. Seither, so eine Sprecherin des zuständigen Ministeriums, wurden 84,5 Millionen Euro überwiesen. Einer „vorsichtigen Schätzung zufolge“, wie sie sagt, fehlen noch rund 70 Millionen, die veranlasst werden müssen. Darunter auch 400 Euro für Familie Weingärtner, die vom Versicherer Anfang vergangenen Jahres erst rund 70 Euro erhalten hatte.

Nicht nur die Weingärtners fragen sich seither, wo ihr Geld bleibt. Ihren Antrag hatten sie bereits im Frühjahr 2020 eingereicht, seither hat das Paar nichts mehr gehört. Auch an die Verbraucherzentralen im ganzen Land wenden sich mit dem gleichen Anliegen Ratsuchende. „Wir beobachten, dass vielen das Verständnis fehlt, zumal es oft um kleinere Summen geht“, sagt Felix Methmann, Reisefachmann beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Wie die verhinderten Reisenden kann auch Methmann die monatelange Verzögerung nicht nachvollziehen. Der Prozess habe vor der Pandemie begonnen, der Bund hätte in seinen Augen längst handeln müssen.

Mancher Urlauber traut der Pauschalreise nicht mehr

Als Grund für die lange Wartezeit nennt die Ministeriumssprecherin das häufige Fehlen von Unterlagen oder Angaben seitens der Antragsteller. Die entsprechenden Nacharbeiten führten dann dazu, dass auch Anträge, die richtig eingereicht wurden, teils nach hinten rutschen. Das Ministerium gehe aber davon aus, „dass die ganz überwiegende Anzahl der Betroffenen die Ausgleichszahlung noch in der ersten Hälfte des Jahres 2021 erhalten wird“.

Besonders fatal ist für Methmann, dass diese Verzögerung das Vertrauen in die auch von der Regierung vielbeschworene Sicherheit von Pauschalreisen zusätzlich erschüttert. Eigentlich habe das Einspringen der Regierung nämlich zum Ziel gehabt, durch die Insolvenz verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. „Das ist gewaltig misslungen.“ Klaus Weingärtner kann das nur bestätigen: „An Urlaubsplänen mangelt es uns nicht. Aber wo kann man wirklich sicher buchen, jetzt, da so viele Reisebüros und Veranstalter durch die Pandemie in der Krise stecken?“

Um Kunden wie ihm diese Sorge zu nehmen, sollen Kundengelder im Falle von Pleiten von Reiseveranstaltern künftig besser abgesichert werden. Hierzu hat das Kabinett jüngst eine Reform des Reiseinsolvenzrechts beschlossen. Diese sieht den Aufbau eines millionenschweren Reisesicherungsfonds vor, in den Veranstalter einzahlen sollen. Damit wird die bisherige Absicherung durch Versicherungen oder Bank-Bürgschaften grundsätzlich abgelöst. Ausnahmen soll es für kleine Unternehmen geben. Der Fonds soll bis Ende Dezember 2026 mit rund 750 Millionen Euro gefüllt werden. Reiseanbieter sollen Entgelte entrichten und zusätzliche Sicherheiten stellen.

Pläne bieten noch keine Sicherheit

Jenen, die für dieses Jahr eine Reise planen, werden diese Pläne jedoch noch keine Sicherheit bieten. Denn das zuständige Ministerium antwortet auf die Frage, ab wann diese Lösung im Falle einer Insolvenz greife, Folgendes: „Möglichst ab dem 1.November 2021“ solle der Fonds seine Arbeit aufnehmen. Bis die Einzahlungen der Veranstalter die gewünschte Höhe von 750 Millionen Euro erreicht haben, werde „die Zeit bis 2026 durch eine staatliche Absicherung eventuell aufzunehmender Kredite erleichtert“ – für die Weingärtners und andere Reisewillige eine wenig beruhigende Aussage.