Erlangen: Eine Zeit voller Verbote

8.7.2020, 06:00 Uhr

Der Alltag kehrt mehr und mehr zurück: Beim Turnerbund 1888 Erlangen können Kinder und Jugendliche wieder gemeinsam Sport treiben.

Immer, sagt Thomas Ternes, hat man auch als Beamter die Unterschiede bei den Hygienevorschriften nicht verstanden. Manchmal, da fragte man sich selbst auch mal, was es damit auf sich haben soll, verrät Martin Holzinger. Doch ob es mal darum ging, offiziell durchzusetzen, dass der Querflötenspieler im Orchester fortan nur noch am Rand spielen darf wegen des seitlichen Luftausstoßes, dass ein Blumenladen sehr wohl den Bedarf des täglichen Lebens deckt oder ein Speiseeis auch unverpackt als Kugel in die Waffel gedrückt werden darf: "Insgesamt", sagt Ternes, "war es natürlich eine aufreibende, eine belastende Zeit – aber es gab sehr selten die Situation, dass Bürgerinnen und Bürger kein Verständnis für unsere Entscheidungen gezeigt haben."

Teils stündliche Aktualisierungen

Wöchentlich, oft täglich, zu Beginn sogar stündlich, erreichten andere Hygiene- und Schutzvorschriften aus der Staatsregierung das Erlanger Rathaus. Ein Mitarbeiter des Amts für Offentliche Sicherheit und Ordnung, so Bürgeramtsleiter Martin Holzinger, war allein damit beschäftigt, die sich stetig aktualisierende Website zu lesen und seine Kollegen auf den neuesten Stand zu bringen. "Auch der Austausch mit den Nachbarkommunen war intensiv, damit wir in den großen Fragen auf einer Linie agieren", sagt Holzinger.

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Einfach haben es sich Ternes, der das Rechtsreferat leitet, und Holzinger dabei nie gemacht. "Willkür gab es nie", versichert Ternes, im Gegenteil: Sehr genau, so der Eindruck, hätten die Erlanger auf Fairness in den Entscheidungen geachtet – "klar, es herrscht ja in solchen Zeiten auch die unternehmerische Konkurrenz". Und die Verbote und Vorgaben reichten nun mal in alle Lebensbereiche.

Beschwerden nur von Extrema

Beschwerden kamen fast ausschließlich von den Extrema: Denjenigen, die die Maßnahmen grundsätzlich für überzogen hielten – und denjenigen, denen sie nie weit genug reichten. "Ein Gastronom beunruhigten nach Wochen des fehlenden Umsatzes vor allem die Lockerungen", erzählt Holzinger, "er bat uns, das zu überdenken. Lieber wollte er noch ein paar Wochen auf Gewinn verzichten, als durch eine zweite Welle womöglich noch weitere Monate ohne Gäste dastehen."

Wie sehr sich die Stadt um die von der Krise hart getroffenen Gastronomen kümmert, zeige nach Meinung der beiden Beamten die schnelle und kostenfreie Öffnung des Freibetriebs. Auch die Schausteller, die unter dem Ausfall der Bergkirchweih leiden, durften sich über die Stadt verteilt ausbreiten – "doch so lukrativ wie eine Kerwa ist das natürlich nicht", weiß Ternes, weshalb einige ausgewiesene Plätze bis heute frei blieben.

Keine Zustände wie in Nürnberg oder Bamberg

Diejenigen, die aber von Großveranstaltungen oder Discobetrieb leben, hoffen auf nicht absehbare Zeit weiter vergebens auf Besserung. Wenngleich die Polizei und die Stadt sich freut, dass Massenzusammenkünfte wie in Nürnberg, Bamberg oder Würzburg in Erlangen (noch) ausbleiben: "Es gab zwar am vergangenen Wochenende Treffen etwa auf dem Bohlenplatz, die so laut waren, dass die Polizei aus Lärmgründen kommen musste – die Beamten berichteten aber vor Ort vom vorbildlichen Einhalten der Hygienerichtlinien", so Thomas Ternes. Sollte sich das ändern, hätte die Stadt die Möglichkeit, Alkoholverbote auszusprechen und den Ausschank auf der Straße zu untersagen. Doch Großversammlungen und Feiern bleiben weiterhin untersagt.

Freude an all diesen Verboten, versichern Ternes noch Holzinger, haben sie dabei nie – auch wenn sie ihr tägliches Geschäft sind. "Wir haben in den vergangenen Monaten mehr geregelt als entwickelt, das stimmt schon", sagt Ternes. "Das wurde aber in der Öffentlichkeit nie negativ empfunden. Es gab hohe Grundakzeptanz – und die Maßnahmen waren zum jeweiligen Zeitpunkt auch nie überzogen, finde ich."

"Aufreibend und belastend"

So sehr die Corona-Pandemie die Kollegen auch als "aufreibend und belastend" empfanden – auch die Kinder von Martin Holzinger befanden sich in der Notbetreuung –, so sehr fühlen sie sich nun gewappnet für alles, was noch kommen könnte: "Die Grundanspannung, das Ungewisse, das ist gewichen. Man hat nun Erfahrungswerte, die mich zuversichtlich machen", sagt Thomas Ternes.