Besuche wieder erlaubt: So waren erste Treffen in Nürnbergs Pflegeheimen

11.5.2020, 05:50 Uhr

Alfred Bock sitzt seiner Ehefrau Hildegard Bock, die im Sebastianspital lebt, erstmals seit zwei Monaten wieder direkt gegenüber. Betreuerin Selima Dizdarevic (in blauem Kittel) und Bereichsleiterin Dusanka Vujasinovic-Folk sind bei dem Treffen dabei. © Foto: Roland Fengler

Im städtischen Sebastianspital sind zwei große Zelte im Freien als Regenschutz aufgebaut. Auf den Tischen liegen Plastikdecken, die Stühle sind ohne Polster — schließlich wird nach jedem Besucher desinfiziert. Ins Seniorenheim hinein dürfen die Gäste nicht, zu groß ist die Angst vor einer möglichen Einschleppung des Corona-Virus.

Meist halten sich nur zwei Personen plus Betreuungskraft unter dem Zeltdach auf. Die Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen sind sehr streng. Auch müssen sich Besucher zuvor anmelden und einen Termin vereinbaren, um ihre Angehörigen 20 Minuten zu sehen und zu sprechen. Länger geht es derzeit nicht, schließlich sollen möglichst viele Heimbewohner zum Zug kommen.


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Alfred Bock sitzt seiner Ehefrau und Heimbewohnerin Hildegard erstmals seit acht Wochen gegenüber. Die beiden tragen Schutzmasken, zwei nebeneinander gestellte Tische sorgen für den Sicherheitsabstand. Eine Umarmung, ein Streicheln der Hand — das ist nach den derzeitigen Regelungen nicht möglich.

"Unsere Bewohner vermissen ihre Angehörigen, sie leiden"

"Unsere Bewohner vermissen ihre Angehörigen, sie leiden. Sie brauchen körperlichen Kontakt. Aber sie müssen Abstand voneinander halten", sagt Katrin Jaworek, Pflegedienstleiterin im Sebastianspital. Immerhin ist mit der Aufhebung des Besuchsverbots ein erster Schritt zur Öffnung getan.

Für den 80-jährigen Alfred Bock waren die vergangenen zwei Monate "eine schwierige Zeit" — wie für seine Frau auch, die seit fünf Jahren im Sebastianspital lebt. Der Rentner kam bis zum Beginn der Pandemie jeden Tag, um nach seiner Frau zu schauen. Sie hatten einen festen Rhythmus: "Ich habe sie im Rollstuhl um den Wöhrder See geschoben, dann haben wir im Cafe am See Kuchen gegessen", erzählt Bock.

In den zurückliegenden Wochen fiel das gewohnte Ritual aus. Der Senior hat daher Tüten mit Süßigkeiten und Brezen für seine Hildegard beim Personal abgegeben. Seine Frau stand im Heim oben hinter dem Fenster, er unten vor dem Haus — doch was sollten sie in dieser Situation miteinander sprechen? Man winkte sich nur zu.

Bis Seniorenheim Türen für Besucher öffnet, wird es noch dauern

Der 80-Jährige hat zum Geburtstag seiner Frau in der vergangenen Woche ein Blatt mit Fotos zusammengebastelt, auf dem ihre Freunde und Verwandten abgebildet sind. So hat die Heimbewohnerin ihre Vertrauten wenigstens bildlich in ihrer Nähe. Bis das Seniorenheim seine Türen für Besucher öffnet, wird es noch eine Weile dauern.

Es gibt so vieles zu beachten: Hygienevorschriften, wie viele Gäste dürfen gleichzeitig ins Haus, wie viele Betreuungskräfte sind nötig, welche zusätzlichen Arbeiten fallen für das Pflegepersonal an . . . Michael Pflügner, zweiter Werkleiter des NürnbergStift, ist froh, dass zumindest der Anfang gemacht ist.

Besuche im Altenheim nach Drei-Stufen-Plan

Denn seit der Ankündigung, dass das Besuchsverbot unter strengen Auflagen aufgehoben ist, hatte man nur drei Tage Vorbereitung. Pflügner entwickelte mit seinen Mitarbeiterinnen einen Drei-Stufen-Plan: Zum Auftakt gab es nur Treffen im Freien. "Die Termine am Muttertag waren blitzschnell vergeben", berichtet er.

In einem zweiten Schritt finden die Begegnungen zwischen Angehörigen und Heimbewohnern in zwei Besuchsräumen statt, um vor Regen geschützt zu sein. Die Räume sind bereits hergerichtet. Als dritte Stufe — und größte Herausforderung — sind Begegnungen in den Zimmern der Senioren geplant.



Pflügner treibt allerdings die Sorge schwer um, dass das Coronavirus ins Heim eingeschleppt wird. Zustände wie in Würzburg, bei dem 25 Altenheim-Bewohner in kurzer Zeit an den Folgen der gefährlichen Lungenkrankheit gestorben sind, stehen ihm als Schreckensbild vor Augen.

Und als er am Samstagnachmittag die wenigen Schritte vom Heimgelände zum Wöhrder See hinunter geht, schüttelt er betrübt den Kopf: Auf den Sitzgelegenheiten beim Steg in Cafe-Nähe sitzen Spaziergänger dicht beieinander und plaudern angeregt, ganz so, als sei die Corona-Krise vorbei — von Sicherheitsabstand keine Spur. "Das kann doch nicht gut gehen", meint Pflügner.

Bedenken hat er auch bei den 15 Prozent mobilen Senioren unter den 254 Bewohnern des Sebastianspitals: Er kann ihnen Spaziergänge an der Pegnitz nicht verbieten. Doch ob das Tragen von Schutzmasken und die verpflichtende Desinfektion der Hände tatsächlich schützen, ist fraglich.

Zuspruch am Krankenbett teilweise möglich

Auch in den meisten Krankenhäusern sind seit dem Wochenende wieder Besuche möglich. Im Nordklinikum bildeten sich am Samstag keine Warteschlangen am Eingang. Wer einen Besuchsschein ausgefüllt und die Hände desinfiziert hatte, bekam noch einen Mund-Nasen-Schutz ausgehändigt und konnte anschließend auf das Gelände. Bei den Patientinnen und Patienten auf Station war die Freude darüber groß, dass sie einen vertrauten Menschen für eine Stunde an ihrer Seite haben konnten.



Im Theresien-Krankenhaus sind dagegen nach wie vor keine Besuche möglich. Um Patienten wie Mitarbeiter zu schützen, warte man erst auf ein weitergehendes Konzept des bayerischen Gesundheits- und Sozialministeriums. "Die darin enthaltenen Regelungen werden wir abwarten und dann neu über eine Besuchsregelung entscheiden", heißt es dazu auf der Homepage. Ein Entschluss, der von einigen betroffenen Angehörigen mit Bedauern aufgenommen wurde.