Biden ist US-Präsident - aber der Kampf in den USA ist nicht vorbei

7.11.2020, 20:27 Uhr

"Joseph Robinette Biden Jr. was elected the nation’s 46th president Saturday, schreibt die Washington Post nur wenige Minuten, nachdem die Associated Press die Nachricht vom Sieg in Pennsylvania verkündete. Bei mir kommen seitdem jede Menge WhatsApp Nachrichten, SMS, Mails, Facebook- und Twitter-Meldungen rein. Mein Umfeld feiert, doch Amerika ist tief gespalten.

Man muss nur auf das Twitter-Account von Donald Trump blicken, um zu wissen, dass das Kapitel Donald Trump noch lange nicht vorbei ist. Der Sieg von Biden/Harris ist ein Ende der Präsidentschaft von Trump, aber kein Schlussstrich unter den Trumpismus in den USA.


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Sein Lager macht mobil, ganz offen wird die Legitimität dieses Wahlergebnisses angezweifelt. In den kommenden Wochen stehen sicherlich zahlreiche Klagen an, doch das ist nicht das große Problem. Amerika wird diese Gerichtsverfahren überstehen.

Die Wirtschaft brummte, die Arbeitslosigkeit schrumpfte

Die Gefahr liegt darin, dass Millionen von Amerikanern nicht glauben wollen und glauben können, dass Donald Trump verloren hat. Sie ließen sich, wie auch er selbst, von den Massenveranstaltungen blenden, auf denen Trump sich von Zehntausenden feiern ließ, auf denen die MAGA-Bewegung wie eine religiöse Messe zelebriert wurde. Trump ließ sich von seiner Basis huldigen, genauso wie von dem Heer an Ja-Sagern in der republikanischen Partei.



Und mal ehrlich, ohne die Corona-Pandemie und die anschließende Krise im Land wäre Donald Trump mit wehenden Fahne wiedergewählt worden. Die Wirtschaft brummte, die Arbeitslosigkeit war niedrig, das Bild des erfolgreichen Präsidenten wäre glaubhaft gewesen.

Doch Trump stolperte über sein eigenes Unvermögen die Gefahr von außen als Krise von innen zu sehen. Er verkannte schlichtweg die gefährliche Dynamik dieser Pandemie, das lag sicherlich auch daran, dass er zuvor alle kritischen Stimmen in seinem Umfeld ausgeschaltet hatte und nur noch Bücklinge um sich hatte. Keiner wagte es gegenzusteuern, ihm deutlich zu machen, dass er wohl besser doch auf Wissenschaftler und “Public Health” Experten hören sollte.

Trump glaubte an sich selbst, war davon überzeugt, dass er alles richtig macht. Und seine Wählerinnen und Wähler folgten ihm, lebten mit ihm in dieser Parallelgesellschaft. Doch die Folgen der Pandemie trafen auch das Trump Lager, und genau das erkannte der Präsident nicht. Seine Basis wendete sich teilweise ab. Immer wieder hörte ich, gerade auch in Arizona, dass Corona das große und entscheidende Thema bei dieser Wahl war. Es war eben nicht nur die “Grippe", wie Donald Trump es beschrieb, es war eine tödliche Pandemie, die jeden und überall traf und keinen Halt vor politischen Überzeugungen machte.

Ein geeigntes Amerika?

Nun also ist Joe Biden gewählt. Trump wird nicht aufgeben, nicht jetzt, nicht in ein paar Wochen, nicht im kommenden Jahr. Er wird weiter erklären “I WON THIS ELECTION, BY A LOT!”. Das wird die Vereinigten Staaten nicht zusammenführen, sondern weiter spalten.

Auf Joe Biden und Kamala Harris kommen schwere Zeiten zu. Ob und wie sie es schaffen wollen, für ein geeintes Amerika zu regieren ist mehr als fraglich. “Lady Liberty”, die Freiheitsstatue, hat als Symbol für das offene, gemeinsame Amerika in diesen letzten vier Jahren einiges einstecken müssen. Ob sie sich davon erholen kann wird sich zeigen. Es ist zu hoffen, das ja, daran glauben kann ich jedoch nicht.