Chefarzt klärt auf: Diese Rolle spielen Kinder und die britische Mutation

31.3.2021, 05:52 Uhr

Präsenzunterricht und mehr Tests: Viele Eltern sind besorgt wegen der steigenden Infektionszahlen bei Kindern.  © Matthias Balk, NN

Es ist eine Seltenheit, dass Kinder wegen einer Corona-Infektion im Krankenhaus behandelt werden müssen. Doch es kommt vor, auch in der Region. Im Nürnberger Klinikum werden pro Woche aktuell etwa ein bis zwei Kinder stationär behandelt. Im Klinikum Fürth waren es im bisherigen Pandemie-Verlauf vier junge Patienten, wovon jedoch alle wieder schnell gehen durften.


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Die Fallzahlen steigen derzeit in allen Altersgruppen, "besonders stark" jedoch bei Kindern und Jugendlichen, wie das Robert Koch-Institut (RKI) mitteilt. Der Inzidenzwert bei Grundschulkindern und Jugendlichen ist in die Höhe geschnellt. "Der stärkste Anstieg ist bei Kindern zwischen 0 bis 14 Jahren zu beobachten, wo sich die Sieben-Tage-Inzidenzen in den vergangenen vier Wochen mehr als verdoppelt haben," lässt das Insitut verlauten.


Die britische Mutation B.1.1.7 steht im Verdacht, die Rolle der Infektiösität von Kindern zu verändern. Von Kindern und Jugendlichen könnte nun auch zunehmend Übertragungen und Ausbruchsgeschehen ausgehen. Doch ist das wirklich so?



Das Klinikum Fürth hat in einem Live-Talk zum Thema einige Fragen beantwortet. "Die britische Mutation ist an sich ansteckender, somit ist die Ansteckung auch bei Kindern erhöht", erklärt Professor Jens Klinge, Chefarzt am Klinikum Fürth. Kinder würden jetzt in den Fokus rücken, weil Schulen teils wieder aufgemacht haben – was er grundsätzlich aber begrüße.

Dort würden nun relativ intensiv getestet. Die neuen "Treiber" der Pandemie seien Kinder aber dennoch nicht. "Kinder werden nicht ansteckender, aber sie haben jetzt vielleicht deutlich mehr Kontakte und verbreiten das Virus schneller," so Chefarzt Klinge.


Mehr Kinder betroffen

Dem entspricht auch die Aussage von Professor Christoph Fusch, dem Ärztlichen Leiter der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche am Klinikum Nürnberg. "Die aktuellen Veröffentlichungen geben einen gewissen Hinweis, dass mehr Kinder betroffen sein könnten.

Es liegt leider in der Natur des exponentiellen Wachstums, dass zu Beginn die Erkrankungs- und vor allem die Zuwachsraten in absoluten Zahlen niedrig sind, dann aber nach einiger Zeit schlagartig zunehmen." Am Klinikum Nürnberg könne man bei sehr jungen Patienten zur Zeit jedoch keinen Anstieg verzeichnen.


Trotzdem steigen die Infektionszahlen. Dies bestätigen auch die an das RKI übermittelten Daten über Ausbrüche in Kindertagesstätten und Horteinrichtungen. Covid-19-bedingte Ausbrüche betreffen verstärkt auch Schulen, die wieder geöffnet wurden – und das trotz allen Hygiene-Maßnahmen. Wegen dieses Restrisikos werden die Debatten über Präsenzunterricht noch immer heftig geführt. Derzeit sind in Bayern allerdings Osterferien.

Was vielen Eltern außerdem Sorgen bereitet, ist das neuerdings auftretende Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome ("PIMS"). Dieses seltene, aber ernstzunehmende Entzündungssyndrom wird ausgelöst, wenn das Immunsystem nach einer Corona-Infektion überreagiert. "PIMS" kann alle Organe angreifen und deshalb gefährlich werden.

"Anders als die Corona-Infektion kann man es behandeln," erklärt der Fürther Chefarzt Klinge. "Es ist trotzdem eine schwere Folgekrankheit der Corona-Infektion, die so bei anderen Virusinfektionen bisher nicht beschrieben ist."

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PIMS - Selten, aber gefährlich

Eltern können das Syndrom bei ihren Kindern zum Beispiel an hohem Fieber, Hautausschlag oder Wassereinlagerungen erkennen, so der Chefarzt. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie meldete seit Beginn der Erfassung 255 Fälle bei Kindern und Jugendlichen.

Schwere Corona-Verläufe oder gar Todesfälle bleiben bei den Jüngsten der Bevölkerung dennoch weiter die klare Ausnahme. Dem RKI sind derzeit elf validierte Fälle bekannt, acht davon wiesen Vorerkrankungen auf.