Deutschland fesselt sich selbst - Warum die Notbremse heikel ist

13.4.2021, 20:31 Uhr

Die negativen Folgen der zentralen Corona-Regeln werden sich erst später zeigen, wenn die Fallzahlen unterschiedlich schnell sinken und die Länder nicht mehr flexibel und schnell reagieren können. © Christian Spicker via www.imago-images.de

Manchmal ist das politische Gedächtnis nicht sonderlich ausgeprägt. Denn die Leidenschaft, mit der die CSU für ein bundeseinheitliches, verschärftes Infektionsschutzgesetz kämpft, steht im deutlichen Widerspruch zur bayerischen Linie vor einem Jahr.

Es war der Anfang der Corona-Pandemie; die Bundesländer suchten nach Antworten auf das Virus. Bayern mit seinen höchsten Infektionszahlen schlug einen eigenen, deutlich härteren Kurs ein, dem Föderalismus sei Dank. Ministerpräsident Markus Söder hat das Instrument lange für seine Zwecke genutzt in der Pandemie. In Bayern haben sie ihn dafür lange gefeiert. Es schien, als sei Söder der Vernünftigste, der Besonnenste unter den Ministerpräsidenten, der mit dem Scharfblick und dem Verständnis für die Fakten.

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Später musste sich Söder häufiger fragen lassen, worin der Erfolg seiner harten Linie liegt, wenn die Zahlen im Freistaat trotzdem nicht besser wurden, sondern stets schlechter blieben als in anderen Bundesländern. Es gibt gute Gründe, warum das so gewesen ist. Seine Verhandlungsposition freilich hat das nicht gestärkt, weder bei seinen Kollegen noch bei einem Teil der Bayern.

Vielleicht drängt er auch deshalb seit einiger Zeit darauf, dass sich alle an die gleichen Vorgaben halten müssten. Gewiss bietet ihm ein bundeseinheitliches Infektionsschutzgesetz mit seinem starren Rahmen einen Schutzschirm, hinter den er sich zurückziehen kann. Söder könnte kritisieren, rechtfertigen müsste er sich zuhause nicht mehr.

Es stimmt natürlich, dass das Bundesinfektionsschutzgesetz für eine Pandemie dieses Ausmaßes nicht gedacht war. Eine nüchterne Bilanz des vergangenen Jahres aber zeigt, dass der Föderalismus nicht versagt, sondern im Gegenteil sich bewährt hat. Die Regierungschefs haben nach maßgeschneiderten Lösungen für ihre Bundesländer gesucht; sie haben unterschiedliche Ansätze getestet und Erfahrungen gesammelt, von denen andere profitieren konnten.

Diese Möglichkeit nimmt die Republik sich gerade. Weil aktuell bundesweit die Fallzahlen steigen, wird das zunächst nicht auffallen, auch in Bayern nicht. Das Meiste dessen, was der Bund regeln will, hat der Freistaat bereits für sich festgeschrieben. Einzig bis zu welchem Inzidenzwert die Schulen offen sein sollen, weicht im Bund nach oben ab.



Die negativen Folgen der zentralen Regelung werden sich erst später zeigen, wenn die Fallzahlen unterschiedlich schnell sinken und die Länder nicht mehr flexibel und schnell reagieren können. Das war der große Vorteil der föderalen Konstruktion. Söder hat lange gefeiert, was er jetzt verdammt. Heute stören den Einzelgänger Söder die Alleingänge anderer. Doch die hat das Land verkraftet; es ist daran gewachsen, weil es durch die Pandemie nicht den einen Weg gibt. Den wird auch Berlin nicht finden.