Jamaika-Koalition: Das Hauptproblem heißt Seehofer

25.9.2017, 11:24 Uhr

Es sind erhebliche Kompromisse gefragt - und da ist Horst Seehofer das Hauptproblem, weil er sich nicht viele Zugeständnisse leisten kann oder will. © Sven Hoppe

Es deutet alles auf spannende Zeiten hin: CDU und CSU haben beide bei den Bundestagswahlen schwere Verluste erlitten, die Bayern noch ein wenig mehr als die große Schwesterpartei. Die Christsozialen verzeihen ihrem Führungspersonal vieles, eines aber nicht: dass die absolute Mehrheit in Bayern in Gefahr gerät.

Genau das aber ist der Fall, besonders wegen der wetterwendischen Politik des Vorsitzenden Horst Seehofer. Der weiß vermutlich selbst nicht so genau, welche seiner Positionen bei der Obergrenze für Flüchtlinge gerade gilt, ob sie nun eine unabdingbare Bedingung für eine Koalition ist oder nicht.

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In den Gesprächen mit FDP und Grünen ist die Union, obgleich der größte Partner, in einem strategischen Nachteil: Sie müssen eine Mehrheit für eine Regierung finden und haben dafür keinen Plan B, weil ja die Sozialdemokraten in die Opposition wollen. Die beiden kleineren Parteien aber müssen nicht zwingend  in die Regierung, das haben sie bereits angekündigt. Neuwahlen sind für CDU und CSU jedenfalls im Moment keine Option, weil sie dann weitere Verluste befürchten müssten.

Zu Kompromissen gezwungen

Die Union ist also zu Kompromissen gezwungen, die sich aber gerade Horst Seehofer nicht leisten will. Er hat schließlich im kommenden Jahr Landtagswahlen vor der Brust, will deshalb die Partei nach rechts öffnen und unter keinen Umständen als Schwächling dastehen. Denn die bayerischen Wähler lieben bekanntlich verbale Kraftmeierei.

Es gibt eine ganze Reihe  wichtiger Knackpunkte bei den Gesprächen: Das ist die Obergrenze für Flüchtlinge, die besonders die Grünen unter keinen Umständen mittragen wollen. Weitere Verschärfungen bei der inneren Sicherheit wird keiner der beiden kleinen Partner haben.

Nächstes Problem ist der Klimaschutz: Die Grünen wollen den Abschied von Kohle und Verbrennungsmotor. Damit aber stehen sie andererseits gegen die wirtschaftsfreundlichen Liberalen, aber auch gegen Horst Seehofer. Schließlich haben BMW und Audi ihren Hauptsitz im Freistaat.

Dann ist da noch die EU-Politik, die die Liberalen deutlich restriktiver handhaben wollen und beispielsweise ein Budgetrecht in der Eurozone ablehnen. Das kann Kanzlerin Merkel wiederum nicht wollen. Und andere Themen wie Sozialpolitik oder Mietpreisbremse kommen noch dazu.

Parteimitglieder entscheiden

Es sind also erhebliche Kompromisse gefragt - und da ist Horst Seehofer das Hauptproblem, weil er sich nicht viele Zugeständnisse leisten kann oder will. FDP und Grüne wollen über die Ergebnisse von Koalitionsverhandlungen ihre Parteimitglieder in Mitgliedervoten entscheiden lassen - dürfen also keinesfalls den Eindruck erwecken, sie hätten sich über den Tisch ziehen lassen.

Das alles stellt eine schwierige Gemengelage da - und hat trotzdem einen großen Vorteil: Es wird in den Parteien und im Land über Inhalte diskutiert und auch gestritten werden müssen. Gerade das hat in den Jahren der Großen Koalition gefehlt und zum Erstarken der AfD beigetragen. Der Weg nach Jamaika ist zwar steinig, aber auch eine Chance für die Demokratie.