Lockern oder Lockdown: Politik wirkt planlos - ein Kommentar

16.2.2021, 18:14 Uhr

Im Gespräch mit den Wirtschaftsvertretern: Minister Peter Altmaier. © Andreas Mertens, dpa

Urlaub in Bayern über Ostern? Ein Brunch in einer Gaststätte, vielleicht ein Biergarten-Besuch an den Feiertagen? Gut und richtig, dass Innenminister Joachim Herrmann Hoffnung macht fürs Fest der Hoffnung: Wenn die Zahlen stimmen, soll dies möglich sein - dieses Ziel gab der Erlanger nun aus.

Sinkt die Inzidenz weiter, ist auch schwer zu begründen, warum Hotels oder Restaurants mit passenden Hygienekonzepten nicht öffnen sollen. Das gilt auch für etliche Bereiche des Einzelhandels und anderer Branchen, denen das Wasser bis über den Hals steht. Sie brauchen einen gut begründeten Fahrplan.

Kultur spielte gar keine Rolle

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Auch die Kultur. Es ist bezeichnend, dass sie bei den Debatten zwischen Ministerpräsidenten und Kanzlerin vor einer Woche gar keine Rolle spielte. Ein Armutszeugnis. Theater und Museen haben in der kurzen Phase der Öffnung im Spätsommer längst bewiesen, dass sie corona-gerecht handeln können.

Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich ist weiter Vorsicht buchstäblich notwendig. Überstürzte Öffnungen, die Massenansammlungen provozieren, sind tabu. Aber in den meisten Lokalen oder Konzertsälen gehen Begegnungen kontrollierter über die Bühne als im privaten Bereich.



Die 35 ist kein starrer, stets gleicher Maßstab

Der letzte Woche aus dem Kleingedruckten ganz nach vorn geholte Inzidenzwert von 35, der die 50 ablöst, kann eine sinnvolle Marke sein. Wobei auch da allzu pauschale Blicke auf die Zahlen nicht genau genug sind für individuelle, regionale Lockerungs-Möglichkeiten: 35 kann ja weiter sinkende Werte bedeuten, wenn sie vorher darüber lagen und kontinuierlich zurückgingen. 35 kann aber auch ein Alarmsignal sein, wenn die Zahlen vorher niedriger lagen und wieder steigen.

Nun hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier beim Treffen mit den wichtigsten Branchen das Mindeste getan - nämlich die Ausarbeitung eines Fahrplans noch vor dem nächsten Gipfel von Länderchefs und Kanzlerin angekündigt. Zudem räumte er ein, wie langsam die (angebliche) "November"-Hilfe fließt - wir haben bald März, und zu viele warten immer noch...



Den Vorsprung verloren und verspielt

Die deutsche Politik, die sich lange ihres Vorsprungs in Sachen Corona rühmte, verliert und verspielt ihn zusehends. Sie wirkt aktuell rat- und planlos; Verantwortlichkeiten werden hin- und hergeschoben. Erst jetzt werden Schnell- und Selbsttests auf den Weg gebracht, die in anderen Ländern längst Öffnungen möglich machen. Der schleppende Start der Impfungen gefährdet das ausgegebene Ziel, dass bis 21. September allen ein Impf-Angebot gemacht werden soll.

Nicht zuletzt die nahenden Wahltermine in Ländern und Bund sollten der Politik eigentlich Druck machen, wieder besser zu werden im auch bei den Wahlen dominierenden Thema Corona. Bei aller Vorsicht: Mehr Mut, mehr Konzepte bitte!