Ministerium vor 50 Jahren: Als Bayern zum Umwelt-Vorreiter wurde

8.12.2020, 06:01 Uhr

Umweltminister Thorsten Glauber im ersten Jahr seiner Amtszeit im Interview mit den Nürnberger Nachrichten.  © Martin Regner, NNZ

Es ist ein hübscher Zufall: Als Bayern am 21. November 1970 beschließt, in München solle ein Umweltministerium entstehen, das erste seiner Art weltweit, erblickt 200 Kilometer weiter nördlich Thorsten Glauber das Licht der Welt.

Der Forchheimer hätte sich in den Jahrzehnten danach nicht träumen lassen, dass er eines Tages für die Freien Wähler im Landtag sitzen und als Umweltminister eben jenes Haus führen darf, das quasi mit ihm seinen 50. Geburtstag feiert.

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In seinem Selbstverständnis gewandelt

Glauber ist in den 50 Jahren sicher gereift. Das Umweltministerium ist es auch. Nicht nur, dass es immer wieder den Namen gewechselt, Zuständigkeiten mal bekommen, mal verloren hat. Wobei im Kern immer das Wort Umwelt geblieben ist. Es hat sich auch in seinem Selbstverständnis gewandelt.



Am 8. Dezember 1970 zog Max Streibl als erster Minister in das Haus ein. Es war eine Zeit, in der nicht einmal das Müllabladen in freier Natur strafbar war. In der Atomkraft noch als Heilsbringer galt und Bayern als idealer Standort für eine Wiederaufbereitungsanlage. Dort standen die Umweltschützer draußen vor dem Zaun und protestierten. Drinnen stand das Umweltministerium als Genehmigungsbehörde und genehmigte.

Einen Becher Wasser aus dem Starnberger See getrunken

Das Verhältnis des Ministeriums zur Umwelt war so ambivalent wie das Verhältnis der CSU zur Umwelt. Es gibt Minister, die sich nach Kräften blamiert haben. Werner Schnappauf zum Beispiel, der Bruno, den Bären erst aufs Herzlichste im Freistaat willkommen geheißen und dann zum Abschuss freigegeben hatte.

Oder Alfred Dick. Der beharrte auch nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl darauf, dass die Atomenergie ein Segen und kontrollierbar sei. Zum Beweis leerte er vor laufenden Kameras einen Becher mit Wasser aus dem Starnberger See - damals nicht nur wegen des radioaktiven Fallouts ein Wagnis. Und löffelte dazu verstrahltes Molkepulver. 5000 Tonnen lagerten als Sondermüll in einem Güterzug auf einem bayerischen Abstellgleis und harrten ihrer Entsorgung. Dick wollte beweisen, wie harmlos das Zeug sei. Er überlebte.

Söder als Umwelt- und Gesundheitsminister

Umweltpolitik galt in der CSU lange als unerotisch. Auch Markus Söder machte da keine Ausnahme. Der Nürnberger, der heute die CSU bei jeder Gelegenheit mit grüner Farbe überzieht, hat das Haus selbst ein paar Jahre geleitet. Als Umweltminister hatte er kein Problem damit, dass er die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängern wollte.

Es störte ihn auch nicht sonderlich, dass er als Gesundheitsminister, der er damals in Personalunion war, gegen das Rauchverbot im Land ankämpfte. Anders als seine Vorgänger allerdings erkannte er das Potenzial, das im Gesundheitsbereich lag. Und profilierte sich vor allem hier.

Ein vernünftiger Ansatz. Ab und an hat auch Söder sich an umweltpolitischen Themen versucht. Er kämpfte beispielsweise heroisch dafür, dass der letzte unverbaute oder doch wenigstens naturnahe Abschnitt der Donau das auch bleiben durfte. Und es spricht für sein Standvermögen, dass er das durchgezogen hat, sogar auf einem CSU-Parteitag mit Antrag. Er ist aufrecht untergegangen - außer ihm selbst stimmte niemand für seinen Vorstoß.

Gefahren aus anderen Richtungen

Heute drohen im Umweltministerium die Gefahren aus anderen Richtungen. Die Gesundheit hat das Haus längst an ein eigenes Ministerium abgegeben, und auch den Verbraucherschutz. Doch der ist mittlerweile wieder zurück am Rosenkavaliersplatz. Sehr zum Verdruss etlicher Minister. Die stolpern immer wieder durch die diversen Lebensmittelskandale, kämpfen sich mit Gammelfleisch ab und mit Salmonellen-verseuchten Eiern.

Markus Söder ist irgendwie durchgeschlupft; die Skandale haben ihn nicht erwischt. Und er konnte sich karrierefördernd damit profilieren, dass er sich als Gesundheitsminister, der er eben auch war, mit den Ärzten anlegte. Wirklich nachhaltig war das zwar nicht und seine Zeit als Umweltminister nur eine Episode. Geschadet aber hat es ihm erkennbar nicht.



Für Thorsten Glauber läuft es besser, und das liegt auch an Markus Söder. Seit der sein ökologisches Gewissen doch noch entdeckt hat (die Donau rettete Horst Seehofer als Ministerpräsident), ist Umweltschutz auch in der CSU en vogue. Glauber darf nun Klimaschutzgesetze aushandeln, auch wenn die Opposition sie weiter nur für eine schwache Hülle hält. Und er kann ein Gewässer-Aktionsprogramm auflegen, das "Hochwasser- und Gewässerschutz mit dem Artenschutz vereint", wie er das nennt. Zwei Milliarden Euro plant er dafür ein, angelegt auf zehn Jahre.

"Werbeagentur für Bayerns Umwelt"

Der 50-Jährige feiert lieber das 50 Jahre alte Haus als "Werbeagentur für Bayerns Umwelt. Hier wird und wurde Großes geleistet", sagt Glauber. Er nennt die ersten beiden deutschen Nationalparke im Bayerischen Wald und in Berchtesgaden. Er nennt vorsichtshalber nicht den dritten Park, den viele wollen, nur die CSU nicht. Er könnte ihn natürlich zu seinem Projekt machen, zumal vor allem Gebiete im Norden Bayerns im Gespräch sind.

Oder, besser, waren, bis Söder als neuer Ministerpräsident alle Untersuchungen stoppen ließ. Das Eisen ist dann auch für Thorsten Glauber doch zu heiß, selbst im doppelten Jubiläumsjahr.