Bosnien und Herzegowina

Neuer Posten für Christian Schmidt: Ein Franke soll es auf dem Balkan richten

2.8.2021, 17:28 Uhr

Der Fürther Christian Schmidt bekleidet ein wichtiges Amt in Sarajevo. © ELVIS BARUKCIC, AFP

Nach Jahrhunderten der Kriege und Konflikte ist der Balkan nach wie vor ein heißes Pflaster. Die Region am südöstlichen Rand der EU will trotz mannigfaltiger diplomatischer Initiativen und Fördermilliarden nicht recht zur Ruhe kommen. Vielleicht kann es einem Franken gelingen, Bewegung in die festgefahrenen Positionen zu bringen: Christian Schmidt, ehemals Bundeslandwirtschaftsminister, verlegt seinen Dienstsitz von Berlin nach Sarajevo und bekleidet von nun an das Amt des Hohen Repräsentanten von Bosnien und Herzegowina - ein Posten unter dem Protektorat der Vereinten Nationen.

„Multiethnisches Staatswesen“

Geschaffen wurde er im Zuge der Ratifizierung des Vertrages von Dayton im Jahr 1995. Dieser sollte zum einen den dreieinhalb Jahre währenden Krieg in Bosnien und Herzegowina beenden und zum anderen einen Wendepunkt markieren. Die Idee dahinter war, Bosnier, Serben und Kroaten dazu zu bringen, friedlich mit- oder wenigstens nebeneinander zu koexistieren, im Idealfall in einem gemeinsamen Staat. „Multiethnisches und dezentrales Staatswesen“ hieß damals die Zauberformel.

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Gut 25 Jahre später ist vom Geist von Dayton kaum etwas Zählbares geblieben. Die meisten politischen Akteure vor Ort betrachten den Hohen Repräsentanten als Anachronismus, mit dem sie sich zwar arrangieren müssen, von dem sie sich ansonsten aber nichts vorschreiben lassen wollen. Dabei ist der Posten mit beachtlichen Vollmachten ausgestattet: Christian Schmidt könnte selbst demokratisch gewählte Amtsträger entlassen, wenn sie ihm nicht in den Kram passen, Gesetze erlassen und sogar neue Behörden schaffen.

Doch seit der Brite Paddy Ashdown, der das Amt von 2002 bis 2006 innehatte, von diesen Vollmachen großzügig Gebrauch machte und damit mächtig auf die Nase fiel, griff kaum noch einer der Hohen Repräsentanten zu diesen Möglichkeiten. „Man kann zwar nur schwer gemeinsam mit Serben, Kroaten und Bosniern regieren, aber man kann es ganz sicher nicht gegen sie“, ist die Lehre, welche die Akteure gezogen haben.

Wer die Historie dieses Postens betrachtet, kann gar den Eindruck gewinnen, er wäre eine Art Schleudersitz. Die meisten der bisherigen Hohen Repräsentanten, darunter der Deutsche Christian Schwarz-Schilling, waren nicht mal drei Jahre in Amt und Würden. Einzig Schmidts Vorgänger, der Österreicher Valentin Inzko, bewies politisches Sitzfleisch und bekleidete das Amt fast zwölfeinhalb Jahre lang.

Große politische Würfe sind aus dieser Periode nicht bekannt, Inzko verwaltete mehr oder minder den Status Quo. Ganz am Ende seiner Amtszeit rang er sich allerdings noch zu einem Beschluss durch, der Schmidt das Leben schwer machen dürfte. Der Österreicher änderte das Strafgesetzbuch in seinem Hoheitsgebiet: Wer leugnet, dass das Massaker von Srebenica 1995 Völkermord war, kann demnach mit jahrelanger Haft bestraft werden.

Das wollen die politischen Führer der Serben auf keinen Fall hinnehmen. Die Reaktion erfolgte prompt: Das Parlament des mehrheitlich von Serben bewohnten Landesteils Republika Srpska ließ erklären, dass die von Inzko angeordnete Änderung auf ihrem Territorium ungültig sei. Zur Erinnerung: In Srebrenica hatten serbische Polizei und Paramilitärs nach der Eroberung der UN-Schutzzone rund 8000 bosnische Muslime getötet.

Voraussetzung für einen Beitritt

So sah sich Schmidt, der sich in den letzten Monaten mit Äußerungen zu Bosnien und Herzegowina sehr zurückgehalten hatte, gleich veranlasst, Position zu beziehen: „Ein derartiges Gesetz ist in der EU längst Standard und Voraussetzung für den Beitritt“, so der CSU-Politiker, dessen Ziel es ist, Bosnien-Herzegowina mittelfristig an die Europäische Union heranzuführen.

Ein hehres Ziel, das mit viel Arbeit verbunden sein dürfte - ein diplomatischer Knochenjob. Sofern Schmidt Fortschritte erzielt, würde er sich deutlich von seinen Amtsvorgängern abheben, deren Wirken sich zeitweise aufs Erstellen von Berichten oder Pressemitteilungen sowie auf gelegentliches Redenhalten beschränkte - und das bei einem Salär von monatlich deutlich über 20000 Euro.