"Söder hat viel erreicht" - Warum ein Verzicht keine Niederlage wäre

12.4.2021, 17:58 Uhr

Markus Söder, der Ministerpräsident von Bayern und CSU-Vorsitzender und Armin Laschet, CDU-Vorsitzender und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bewerben sich beide um das Amt des Bundeskanzlers. © Michael Kappeler, dpa

Am Sonntag hatte es noch so ausgesehen, als ob Markus Söder gute Chancen auf die Kanzlerkandidatur hat. Politikwissenschaftlerin Ursula Münch erklärt, warum sich der Wind gedreht hat.

Die CDU hat sich faktisch festgelegt auf Armin Laschet. Hat Sie das überrascht?

Münch: Nein. Ich glaube, dass Laschet die CDU hinter sich vereinigen wird. Alles andere wäre ein desaströses Misstrauensvotum gegen ihn als CDU-Vorsitzenden gewesen. Und Markus Söder hat sich so positioniert, dass er die Entscheidung der CDU akzeptieren wird. Damit ist relativ sicher, dass es auf Armin Laschet hinausläuft. Dass einige in der CDU damit nicht hundertprozentig glücklich sind und das nur mittragen, weil sie den Parteivorsitzenden und die Partei nicht beschädigen wollen, ist eine andere Frage.


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Wie geschickt hat sich Söder verhalten?

Münch: Er hat seinen Hut in letzter Sekunde in den Ring geworfen, als seine Chancen praktisch gegen Null gegangen sind.
Dass er sich überhaupt bekannt hat, war für mich ein Fortschritt. Bisher hat er es allen überlassen, wie sie seine Äußerungen interpretieren. Er kannte natürlich das Dilemma, dass die CSU immer der kleinere Teil der Schwesternschaft ist. Und dass die CDU sich beschädigt, wenn sie mit fliegenden Fahnen zu Söder überläuft. Es ist sein Verdienst, dass er die CSU lange im Gespräch gehalten und viele hinter sich gebracht hat.

Seine Ansage war nicht kompromisslos, sondern voll Ausstiegsoptionen für sich und für die CDU. War das taktisch klug?

Münch: Er hat damit fortgesetzt, was er bisher schon getan hat, wenn er erklärt hat, sein Platz sei in Bayern, die CDU habe das Vorgriffsrecht, die CSU ein Vetorecht, das er nicht nutzt. Wenn, müsste er auf Absetzbewegungen in der CDU hoffen.


Sehen Sie diese Bewegung in der CDU?

Münch: Die gibt es bei Teilen der CDU. Allerdings nicht in der ersten Reihe. Die Ministerpräsidenten stehen weit überwiegend hinter Laschet. Das hat auch damit zu tun, dass sie die Position und das Auftreten der bayerischen Ministerpräsidenten nicht schätzen. Diese Besserwisserei gibt es ja nicht erst mit Söder. Sie fühlen sich vorgeführt von den Bayern.

Söder hat immer mit den Umfragewerten argumentiert, bei denen er weit vor Laschet liegt. Hat er damit nicht recht?
Münch: Natürlich ist die Öffentlichkeit im Moment von Markus Söder angetan. Das gilt auch für die Medien. Wenn wir aber die Grünen in einer Woche ihren Kandidaten benennen, hätte sich die Wahrnehmung Söders sofort geändert. Dann stünden andere Fragen im Vordergrund, etwa die, welche Rolle er bei den CSU-Skandalen spielt und ob er sich wirklich von der alten CSU abgesetzt hat. Die mediale Begeisterung für Söder hätte sich im Wahlkampf aufgelöst.

Welche Rolle geben Sie den Medien in der Diskussion um die K-Frage?

Münch: Söder hatte mehr Rückenwind, weil die Medien die Konstellation spannender finden mit einem Kanzlerkandidaten Söder gegen eine grüne Kandidatin. Und natürlich macht es Armin Laschet seinen Kritikern leicht. Das Bild, das er in der Öffentlichkeit und in den Talkshows abgibt, ist nicht gut. Söder macht da ohne Zweifel den besseren Eindruck. Aber das wird sich in einer Woche wenden. Dann haben wir eine völlig andere mediale Wahrnehmung der Kandidaten.


Ist die Wahl Laschets also ein Fehler?

Münch: Laschet ist sicher leichter vorzuführen, weil seine Auftritte schwach sind und er sich unpräzise ausdrückt. Aber darüber sollte niemand vergessen, dass es außerhalb Bayerns deutliche Vorbehalte gibt gegenüber einem Kanzlerkandidaten aus Bayern. Die Umfragen verschleiern das nur. Laschet weiß, was die Wähler beschäftigt und was sie schätzen. Er wägt ab, er behält bei Corona die wirtschaftlichen Belange im Blick und stellt nicht die gesundheitlichen über alles, wie es Söder tut.

Was erwarten Sie von CDU und CSU in den kommenden Wochen?

Münch: Es muss mehr kommen als ein bloßes Lippenbekenntnis zum Kandidaten. Aber für mich ist etwas anderes entscheidend: Wenn es der unionsgeführten Bundesregierung nicht gelingt, die Pandemie zu bekämpfen, verliert sie das Vertrauen. Dann ist völlig egal, wie der Kanzlerkandidat heißt, weil die Leute ihren Unmut auf dem Wahlzettel bei der Union abladen werden.

Ist damit nicht der nächste Konflikt zwischen Söder und Laschet programmiert? Söder wird die Füße nicht still halten.

Münch: Wenn die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes kommt und der Bund mehr Zuständigkeiten erhält, können beide nicht mehr allzu viel tun. Das hätte für sie den enormen Vorteil, dass sie kommentieren können, für das Geschehen aber nicht mehr verantwortlich sind. Das eigentlich Bizarre ist aber, dass Laschet und Söder mit Koalitionspartnern regieren, die diese Novelle nicht mittragen. Wenn es blöd läuft, müssen sich beide im Bundesrat enthalten, was einer Ablehnung des Gesetzes gleichkäme.


Würde das der Union schaden?

Münch: Sicher, weil es der Öffentlichkeit kaum vermittelbar ist. Ich frage mich, nicht als Politikwissenschaftlerin, als Bürgerin: Wenn sie das nicht mal in ihren Bundesländer beim Koalitionspartner durchsetzen können, wie sieht es dann mit den Führungsqualitäten der beiden aus? Immerhin geht es um ein Gesetz, das wichtig ist für die Staatsräson.

Steckt der Föderalismus in der Krise?

Münch: Nein. Bisher hat das Bundesgesetz den Ländern weitreichende Freiheiten gegeben, die für eine solche Pandemie begrenzt geeignet sind. Das soll nun geändert werden. Das hätte man allerdings schon vor einem halben Jahr korrigieren müssen.

Zurück zur Bundestagswahl: Dass die Union und die Grünen im Zentrum stehen, ist neu. Wie spannend ist das?

Münch: Wir haben ein Jahr der Premieren: Keine Kanzlerin im Rennen, nicht mehr Union gegen SPD, sondern Union gegen Grüne, und das in Zeiten der Pandemie mit einem völlig anderen Wahlkampf. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass das die Menschen nur bedingt interessiert. Wenn wir nur noch von Kandidaten und Koalitionen sprechen, sollten wir uns am Jahresende nicht wundern, wenn die Bevölkerung sagt, was ihr da macht, hat mit unserem Leben nichts zu tun.