Studie zu Rassismus bei Polizei jetzt auf Länderebene?

17.7.2020, 18:50 Uhr

Bei einem Ortsbesuch von Bundesinnenminister Seehofer in Stuttgart wurde unter anderem ein Polizeiauto präsentiert, das während der nächtlichen Randale dort beschädigt worden war. Während Niedersachsens Innenminister eine Studie zu Rassismus in der Polizei auf Ebene der Bundesländer anregt, wird der Vorschlag in Baden-Württemberg und Bayern abgelehnt. © Marijan Murat/dpa

Die Diskussion über eine Studie zur Polizeiarbeit und etwaigem Rassimus reißt nicht ab. Nachdem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) einer zunächst angekündigten Untersuchung eine Absage erteilt hatte, erwägt Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) nun einen Vorstoß auf Länderebene. "Ich würde mir wünschen, dass wir das anpacken, ob mit oder ohne den Bund", sagte der Koordinator der SPD-Innenminister der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er werde versuchen, seine Kollegen in den Ländern von einer gemeinsamen Studie zu überzeugen.


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Um ein repräsentatives Bild zu gewinnen, müsste die Untersuchung laut Pistorius mehrere Bundesländer umfassen. Hintergrund ist die Debatte über das sogenannte Racial Profiling. Davon spricht man, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Haarfarbe oder anderer äußerer Merkmale, aber ohne konkreten Anlass kontrolliert werden. So berichten viele Menschen mit dunkler Haut, sie würden häufiger als andere ohne erkennbaren Anlass von der Polizei kontrolliert. Das Bundesinnenministerium hatte im Juni eine Studie dazu angekündigt, Seehofer aber nahm die Ankündigung seines Ressorts zurück.

Berlin zeigt sich offen

SPD-Politiker hatte sich bereits mehrfach für eine solche Studie starkgemacht. Am Freitag zeigte sich Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) offen für gegebenenfalls auch mehrere Studien. Der thüringische Innenminister und derzeitige Chef der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), sagte: "Es dient der Versachlichung der Debatte. Mir ist wichtig, dass es eine faire Studie wird und dass die Gewerkschaften beteiligt werden." Er wolle auch bei den Ressortkollegen von CDU und CSU dafür werben. Diese reagierten verhalten.

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) sagte: "Ich sehe für Brandenburg die Notwendigkeit einer solchen Studie nicht." Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl und NRW-Innenminister Herbert Reul (beide CDU) erteilten der Idee für eine Untersuchung eine Absage.

Bayern: "Es gibt kein strukturelles Rassismusproblem"

Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) kündigte an, sich Pistorius' Ideen anzuschauen, "wenn er seine Vorschläge gemacht hat". Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) will sich Untersuchungen nicht grundsätzlich verweigern. Es komme auf die Fragestellung der Studie an, sagte er. Ablehnung kam aus Bayern: "Es gibt kein strukturelles Rassismusproblem bei der bayerischen Polizei", sagte ein Sprecher des CSU-geführten Innenministeriums dem Münchner Merkur.



Doch in der Union finden sich auch Befürworter einer solchen Untersuchung. Norbert Röttgen, Kandidat für den CDU-Vorsitz, und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, hatten Seehofer die Studie vergangene Woche nahegelegt.

"Seehofer steht bei Aufarbeitung auf der Bremse"

Von den Oppositionsparteien im Bundestag unterstützte lediglich die AfD Seehofers ablehnende Haltung. Grüne und Linke hatten die Entscheidung bereits kritisiert. FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle sagte: "Bundesinnenminister Seehofer steht bei einer wissenschaftlichen Aufarbeitung des Themas Rassismus und Rechtsextremismus bei der Polizei auf der Bremse. Damit erreicht er das Gegenteil seiner eigentlichen Intention."



Angesichts der langwierigen und intensiven Polizeiausbildung in Deutschland brauche Seehofer eine solche Studie gerade nicht zu fürchten, dürfte sie doch die verfassungstreue Einstellung der Polizei im Großen und Ganzen bestätigen. "Wo es Probleme gibt, muss der Staat indes handeln", sagte Kuhle.

Die Polizeigewerkschaft wies den niedersächsischen Vorschlag scharf zurück und forderte ein Ende der Debatte. "Diese andauernde Verunglimpfung einer ganzen Berufsgruppe gefährdet die innere Sicherheit", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer.


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