Landesliga Nordost: Heller wie Dürer

Ein perfekter Schuss für den 1.FC Herzogenaurach

12.10.2021, 16:22 Uhr

Über Albrecht Dürer wird folgende Legende erzählt: Als der Maler einst mit Kollegen in Italien verweilte, entschieden sich diese, einen kleinen künstlerischen Wettbewerb auszurichten, der zeigen sollte, wer das größte Talent zu bieten hatte. Die Künstler machten sich sofort an die Arbeit.


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Um zu gewinnen, griffen sie tief in die Trickkiste und präsentierten immer verblüffendere Werke. Komplexe Zeichnungen, Kupferstiche, Ölgemälde, alles, was man sich eben so vorstellen kann. Jeder versuchte sich selbst und die anderen zu übertreffen. Nur Dürer ließ auf sich warten, noch immer hatte er nichts vorgezeigt. Schließlich, als schon niemand mehr damit rechnete, betrat er doch noch den Raum.

Statt ein Werk mitzubringen, hielt er allerdings nur ein Stück Kreide in der Hand, beugte sich über den Tisch und zeichnete freihändig einen derart perfekten Kreis, dass es seinen Mitstreitern die Sprache verschlug.

Über Ian Heller vom 1. FC Herzogenaurach wird man nach der Partie gegen den ASV Vach folgende Geschichte erzählen können: Nachdem die Pumas mit einem 0:1-Rückstand aus der Halbzeit zurück auf den Rasen gekommen waren, machten sie sich sofort an die Arbeit.

Lange Bälle, Standards, Flanken

Um zumindest noch einen Punkt mitnehmen zu können, versuchte die Karches-Elf verzweifelt, den Ball irgendwie im gegnerischen Tor unterzubringen. Offensivaktion über Offensivaktion griffen sie auf alle möglichen Ideen zurück: lange Bälle, Flanken, Standards, alles, was man sich eben so vorstellen kann.

Gefühlt jeder Feldspieler probierte es auf die eine oder andere Art. Erfolglos. Dann, spät in der zweiten Hälfte, betrat Heller den Rasen. Der Eingewechselte wartete bis ganz zum Ende. In der Nachspielzeit, als schon niemand mehr damit rechnete, gewann er einen Zweitkampf und stand plötzlich in aussichtsreicher Position vor dem Strafraum. Statt zu passen, zu flanken oder zu dribbeln, hatte er eine simplere Idee: Heller setzte aus 20 Metern zum Weitschuss an. Und versenkte diesen derart perfekt im Netz, dass es den Gegnern für einen Moment die Sprache verschlug.

Wenige Minuten später lässt sich Heller in der Herzogenauracher Fankurve feiern, denkt anschließend kurz an seinen Treffer zurück und sagt: "Das war sehr emotional für mich." Wochenlang hat der Offensivmann den Pumas gefehlt, erst wegen Urlaub, dann wegen einer kleineren Verletzung am Fußgelenk. Jetzt, wo er zurück ist, reichen ihm 20 Minuten, um der Mannschaft das Unentschieden und damit auch die Tabellenführung zu retten.

Tabellenführer? Heller lacht. "Als ich nach Herzogenaurach gewechselt bin, hatte ich eigentlich erwartet, dass wir in der unteren Tabellenhälfte spielen würden."

Allrounder aus Baiersdorf

Dass zu Beginn der Saison niemand so recht vorausahnt, welchen Siegeszug die Pumas schon bald quer durch die Landesliga hinlegen würden, liegt auch an gewissen Fragezeichen, die damals über dem Kader schweben. Tag für Tag wird auf den Social-Media-Kanälen Neuzugang über Neuzugang verkündet.

"Ab der kommenden Saison verstärkt Ian Heller den Landesligakader der Pumas. Der 21-jährige Allrounder kommt vom Baiersdorfer SV und sucht sein Glück ab sofort am Weihersbach", schreibt ein Vereinsmitarbeiter etwa am 14. Juni. Unklar bleibt in diesen Tagen der Saison-Vorbereitung, wie schnell, wie überzeugend, wie reibungslos sich die vielen jungen Neulinge in die Mannschaft eingliedern würden. Wie lange es dauern würde, bis die Jakob-Karches-Philosophie, die den eigenen Spielern genauso viel abverlangt wie den gegnerischen, fest verinnerlicht sein würde.



Wie anspruchsvoll dieser Dominanz-Fußball sein kann, zeigt sich auch in der Partie am Samstag, in der die FCH-Spieler ins Pressing übergehen, sobald es der Ball wagt, sich einem Vacher Fuß zu nähern. "Ich habe ja schon zuvor Landesliga-Fußball gespielt", sagt Heller. "Aber dieses Tempo? Daran musste ich mich erst gewöhnen." Und so sind die jungen Neuzugänge vielleicht ja beides: ein Grund dafür, warum der FCH in diesem Jahr ganz oben steht, aber auch dafür, warum es dem Team manchmal noch schwer fällt, die klare Überlegenheit in ein klares Ergebnis zu übersetzen.

Über Dürers perfekten Kreis heißt es, kein Künstler habe dieses Kunstwerk je wiederholen können. Bei den Pumas werden sie hoffen, dass Ian Heller seinem perfekten Schuss noch viele weitere folgen lassen wird.

1. FC Herzogenaurach - ASV Vach 1:1 (0:1) –Herzogenaurach: Lösch, Hafenbrädl (81. Christmann), Rahe, Bergner (71. Heller), Staniszewski (57. Nierlich), Rockwell, Burkhardt (87. Göller), Spielmann, Denk, Stübing, Scarcella (52. Amling) / Tore: 0:1 Berisha (25.), 1:1 Heller (90.) / Zuschauer: 170.