Olympia

Grenzerfahrung Olympia-Quali: Isabel Herttrich hat es geschafft

19.5.2021, 06:00 Uhr

Dürfen sich seit gestern auf Olympia vorbereiten: Isabel Herttrich (links) mit ihrem Doppel-Partner Mark Lamsfuß. © Ringo Chiu, NN

Im Hintergrund hört man das Quietschen, das für Hallensportler klingt wie der beste Song der Welt. Die Turnschuhe, die über den Bodenbelag schleifen, sind selbst über Telefon der Beweis: Isabel Herttrich ist zurück im Training, um sich auf den größten Wettbewerb ihres Lebens vorzubereiten: die Olympischen Spiele.


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Bis dahin war es ein langer Weg, der ganz oft gar nichts mit quietschenden Turnschuhen zu tun hatte. Schon in normalen Jahren ist eine Qualifikation für die Olympischen Spiele eine enorme mentale Herausforderung. Zwölf Monate lang zählt jedes Turnier, jedes Ergebnis, jede Wertung. Kleine Ausrutscher lassen den Traum schon platzen. 2020 kam das Coronavirus hinzu. "Mitte März mussten wir die Saison unterbrechen", sagt Herttrich. Von da an gab es "nur noch Fragezeichen". Die Badmintonspielerin, die vor drei Jahren mit der Nationalmannschaft in Erlangen zu Gast war, wusste wie viele Athleten nicht, wie sie doch noch die Chance hat, sich für die auf 2021 verschobenen Olympischen Spiele zu qualifizieren.

In den vergangenen Monaten gab es zumindest wieder so etwas wie einen Wettkampf-Plan, der die 29-Jährige hoffen ließ, sich im Mixed-Doppel mit ihrem Partner Mark Lamsfuß doch noch das Ticker für Tokio zu sichern. Bei der Europameisterschaft in der Ukraine aber erwischte es ein Mitglied aus der deutschen Badminton-Mannschaft. Wegen des positiven Corona-Falls im Team mussten auch Herttrich und Lamsfuß in Quarantäne. Herttrich saß drei Tage im Hotelzimmer, alleine mit ihren Sorgen um das drohende Olympia-Aus.

"Ich habe viel gelitten"

Es war nicht der einzige Rückschlag. Immer wieder sagte der Verband Turniere ab. "Jeden Tag gab es etwas Neues", sagt Herttrich. "Das war super stressig, weil zwei Monate lang nicht nur die sportliche Leistung gezählt hat, sondern so viele andere Faktoren mit hineingespielt haben." Dass sie und ihr Doppel-Partner die Nerven behielten, ist wohl der größte Erfolg - noch vor dem ersten Aufschlag in Tokio.



Die Hersbruckerin hat das auch deswegen geschafft, weil sie eben doch nicht alleine war. Nicht einmal in ihrem Hotel in Kiew. Ihre Familie, ihr Freund und ihr Trainer haben sie über all die Zeit sehr unterstützt. Isabel Herttrich sagt es so: "Ich habe viel gelitten. Meine Familie und mein Freund aber haben auch sehr mitgelitten, die mussten einiges von mir aushalten." Dazu spricht die Badmintonspielerin vom Bundesligisten 1.BC Bischmisheim regelmäßig mit ihrer Mentaltrainerin, so war es auch während der Quarantäne oder vor dem Turnier in Indien.

"Man muss versuchen, nicht verrückt zu werden"

Nicht nach Indien zu reisen, kam nicht in Frage - in der Quali geht es um jeden Punkt. Doch die Corona-Zahlen stiegen im Gastgeberland extrem. "Ich habe mich schon gewundert, warum sie das Turnier nicht absagen", meint Herttrich, "und habe mich mit meiner Mentaltrainerin auf alles mögliche vorbereitet. Zwei Stunden später wurde das Turnier dann doch abgesagt." Hin und her. So war es über Monate.

Isabel Herttrich hat so sehr gut gelernt, sich nur auf das zu konzentrieren, was sie selbst beeinflussen kann. "Alles andere muss man hinnehmen, positiv denken und versuchen, nicht verrückt zu werden." Vor ein paar Tagen hat der Verband auch das Turnier in Malaysia abgesagt und die Quali für beendet erklärt - als Ranglisten-Zwölfte sind Herttrich und Lamsfuß nun sicher in Tokio dabei. Für die Hersbruckerin erfüllt sich damit ein Traum, den sie schon seit ihrem zwölften Lebensjahr verfolgt. "Es fühlt sich manchmal noch surreal an", sagt sie. Mit ihrer Familie aber hat sie schon ein wenig gefeiert, Kuchen gegessen und angestoßen. "Das habe ich mir gegönnt." Ihren Doppel-Partner hat Herttrich nach der langen Quarantäne erst gestern im Training wieder gesehen. Acht Wochen Vorbereitung stehen an. Acht Wochen wunderbares Quietschen in der Halle.