Trostlos am Tabellenende: Ist der Club noch zu retten?

22.1.2019, 05:46 Uhr

Spreizschritt im Max-Morlock-Stadion: Hanno Behrens' Ausgleich gab dem Altmeister aus Nürnberg gegen die Hertha nur kurze Zeit Hoffnung. © Sportfoto Zink / DaMa

Dass man gegen die Hertha nicht einmal zu einem Punkt kommt, es rund um den Club in der Folge immer ungemütlicher wird, bewegt Michael Köllner nicht dazu, allzu kritisch auf den ruckeligen Rückrundenstart seines Teams zu blicken. Oder gar resignativ auf die nähere Zukunft des FCN. "Wir waren offensiv stärker als gegen Freiburg, haben mit mehr Druck Fußball gespielt und gezeigt, dass wir das Spiel zu Hause gewinnen wollen", findet der Club-Coach, was in Bezugnahme auf den vom Ergebnis her ebenso unerfreulichen, in Sachen Leistung aber gleichsam positiv bewerten Jahresabschluss gegen die Breisgauer wenig Trost spendet. "Ich glaube schon, dass wir auf einem guten Weg sind", ergänzt der Trainer der zumindest noch bis Sommer erstklassigen Nürnberger später seine Sicht der Dinge.

Abseits jeglicher Statistik - die wesentlichen Kennzahlen stehen eh im 1:3 - mag man Köllners wiederholt eigenwilliger Spielanalyse zustimmen. Zumindest in einigen Punkten. Oder auch nicht. Feststeht: Selbst, wenn der FCN für seine Möglichkeiten weiterhin ordentlich Fußball spielt, trotzdem aber jedes Match verliert - wie nun zum fünften Mal in Folge -, steht nach Rundenschluss unweigerlich die Rückkehr in Liga zwei.

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Ungenutzte Blaupause 

Wie man gegen die Hertha, die Alte Dame hatte in fünf Spielen bei Aufsteigern davor stets den Kürzeren gezogen, vielleicht sogar gewinnen hätte können, wusste Michael Köllner dabei eigentlich. "Wenige Chancen zulassen und die eigenen Chancen in Tore überführen." Diese Qualität, die der Oberpfälzer beim Gegner schon vor dem Duell erkannt hatte, hätte seinem Team als Blaupause dienen sollen. Da es wie schon zum Hinrundenstart jedoch die Hertha war, die sich vor dem gegnerischen Gehäuse effektiv zeigte und der Club in seinen oft zu komplizierten Angriffsanstrengungen zu harmlos blieb, behielten die im Bundesliga-Betrieb seit 2003 in Nürnberg sieglosen Berliner aber hochverdient die Oberhand.

Der blanken Statistik nach bewegte sich der FCN im Heimspiel gegen die Hertha sogar wirklich auf Augenhöhe: 14 Torschüsse verbuchte Nürnberg auf seiner teils firnigen Spielwiese - und damit nur zwei weniger als das Dardai-Team. Unentschieden stand es bei der Zweikampfquote (50 zu 50) und bei den Ecken (jeweils vier). Dass es am Ende aus Club-Sicht 1:3 hieß, hatte vor allem damit zu tun, dass Nürnbergs Abwehrverbund bei konsequent vorgetragenen Spielzügen den abgezockten Gäste-Angreifern nicht mehr auf Augenhöhe begegnete. In den entscheidenden Momenten verlor der FCN seinen Damenbesuch aus den Augen. Das erste Mal ausgerechnet in einer Phase, in welcher ein auf dem Weg nach vorne zuvor abwartend agierender Club in seinem stadioneigenen Gefrierschrank aufzutauen schien.

Als hinten die Konzentration sank, schepperte es prompt. Ein vertikales Zuspiel und einen Doppelpass durchs Zentrum später stand's 0:1! Margreitter hatte sich von Sturmfuchs Ibisevic vor die Kette locken lassen und als Herthas Torjäger den Ball von Selke zurückbekam, hatte Ewerton das Nachsehen. Die Hertha, vor deren Effizienz Köllner Tage zuvor schon warnte, hatte dank schlechter Raumaufteilung des Gegners und eigener Qualität mit ihrer ersten stringent zu Ende gespielten Angriffsaktion getroffen.

Ein Mentalitätstor und 11,55 Kilometer 

Und der Club? Der blieb - in den ersten zehn Minuten auf Umschaltmomente lauernd, diese aber zu schlampig nutzend - nun einigermaßen aktiv. Natürlich auch, weil er musste. Beim Ankurbeln tat sich ein Eduard Löwen hervor. Im Mitteldrittel wirkte es in Ansätzen ganz ansehnlich, was der FCN da aufführte. Beim letzten Pass präsentierten sich Nürnbergs Klassenkämpfer zu ungenau, für sein Beharrungsvermögen belohnte sich ein bemüht bleibender Club vor der Pause dennoch: Nach Leibolds Ecke legte Ewerton das Spielgerät mit dem Kopf zurück, Ishak und Pereira ließen die Kugel mehr oder weniger gewollt passieren, Löwen nicht. Er beförderte den Ball stramm an den zweiten Pfosten, wo Behrens ihn in die Kiste drückte. Ein Mentalitätstor von Nürnbergs Kapitän, der mit 11,55 zurückgelegten Kilometern der laufstärkste Akteur des Altmeisters und zweitstärkster Spieler in diesem Bereich auf dem Platz war.

Die erste Bude nach 434 Torlos-Minuten machte dem Club und seinen Fans Hoffnung. Es wäre so wichtig gewesen, ein Signal im Abstiegskampf zu senden. Und der FCN fängt im zweiten Abschnitt auch gar nicht schlecht an. Da es bei seinen Sicherheitsbeauftragten in den entscheidenden Momenten am Da-darf-keiner-mehr-rein-Finetuning fehlt - Behrens bringt es auf eine 31-prozentige, der in den Schlüsselmomenten zu lasch verteidigende Ewerton bei seinem Startelf-Debüt auf eine für einen zentralen Abwehrspieler zu schwache 53-prozentige Zweikampfquote -, trifft in der Folge aber nur noch die Hertha: Valentino Lazaro bedient aus nahezu identischer Position auf Berlins rechter Bahn zweimal die Kollegen. Der starke Ibisevic lässt einmal kunstvoll auf Duda abtropfen und einmal gewieft für Duda durch, die Entscheidung!

 

Pal Dardai, Berlins Trainer, wird nach der Partie von einer "perfekten Halbzeit" sprechen. Man darf ihm in Sachen Ergebnissteuerung wohl mehr glauben als Michael Köllner, der nach Abpfiff natürlich kein perfektes, aber ein sehr ansprechendes Spiel seiner Mannschaft gesehen hat. Daran ändert aus Dardais Perspektive auch nichts mehr, dass der FCN nicht aufgibt und in Person des ballgewandten Misidjan, der freilich immer mehr zum Solokünstler mutiert, weitere Möglichkeiten notiert. Nach der Niederlage wird Nürnbergs Niederländer mit vier Torschüssen als im Abschluss mutigster Club-Akteur geführt werden. Und Michael Köllner, der nach zwölf sieglosen Spielen auf einen Maximalerfolg in Mainz hofft, als mutigster Bundesliga-Trainer der jüngeren Vergangenheit.

Gewinnen geht über alles 

Dass der Club noch zu retten ist, ist unwahrscheinlich. Aber - einen nicht zwingend zu erwartenden Dreier in Rheinhessen eingerechnet - allen realistischen Einschätzungen und Unkenrufen zum trotz noch möglich. Egal, ob der Club gut, passabel, oder schlecht spielt. Die Voraussetzung dafür ist lediglich, dass der FCN - auch wenn eigentlich zu schwach für Liga eins ist - endlich wieder gewinnt.