23. April 1970: Der Abschied im Rathaus

23.4.2020, 09:00 Uhr
Die Stadt dankt dem scheidenden Baureferenten: Oberbürgermeister Dr. Urschlechter überreicht ihm Urkunde, Medaille und die Kassette mit den Dürer-Holzschnitten.

© Contino Die Stadt dankt dem scheidenden Baureferenten: Oberbürgermeister Dr. Urschlechter überreicht ihm Urkunde, Medaille und die Kassette mit den Dürer-Holzschnitten.

Auf der Referentenbank im Rathaus-Sitzungssaal, vis-à-vis vom Plenum, nehmen zwei junge SPD-Gefolgsleute Platz: Otto Peter Görl als Baureferent und Dr. Hans Georg Schmitz als Hüter der städtischen Finanzen.

Die parteilosen Heinz Schmeißner und Dr. Dr. Georg Zitzmann treten am 30. April in den Ruhestand und wurden gestern von Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter mit allen Ehren verabschiedet. Für ihre Arbeit nahmen sie neben der Urkunde und der Medaille "Für treue Dienste" eine Kassette mit allen Dürer-Holzschnitten in Empfang; Heinz Schmeißner persönlich, für Dr. Dr. Georg Zitzmann, der nach einer Operation in Altdorf seiner Genesung entgegengeht, seine Frau Hilde.

Außerdem hatte sich Regierungspräsident Karl Burkhardt eingefunden, der den beiden aus der Spitze der Stadtverwaltung ausscheidenden Persönlichkeiten das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse überbrachte.

"Mit Ihrem Wirken verbindet sich die Geschichte des Wiederaufbaus, für den Sie nur ein Gedanke beseelte: eine Synthese zwischen alt und neu zu verwirklichen", rühmte das Stadtoberhaupt das Verdienst des Baureferenten, mit dessen Abschied vom Rathaus sichtbar eine Ära abgeschlossen wird: nach dem Aufbau geht es jetzt an die Neugestaltung der Stadt. "Ihren Rat und Ihre Taten wollen wir auch in Zukunft haben", wünschte sich Dr. Urschlechter von dem Mann, der, weil er an der Straße baute, stets im Rampenlicht der Öffentlichkeit gestanden hat und deren Kritik ausgesetzt war.

Mehr im Hintergrund stand dagegen Stadtkämmerer Dr. Dr. Georg Zitzmann, obwohl sein Amt nicht weniger wichtig war. 7,1 Milliarden Mark – so hat der Oberbürgermeister ausgerechnet – sind seit 1945 durch seine Hand geflossen. Jetzt übergibt er das Finanzressort weder mit einer riesigen Schuldenlast, noch mit einem "Juliusturm", aber geordnet und mit einer gesunden Rücklage seinem Nachfolger.

Botschaft aus Ansbach

Regierungspräsident Karl Burkhardt fand deshalb auch das rechte Wort, um des Kämmerers Tätigkeit zu charakterisieren: "Er ist der Mann, der die Mittel für die Planer bereitstellen muß. Sein Name verschwindet gewöhnlich hinter deren Bauten. Deshalb gehört zu diesem Amt die Kraft, bescheiden zu sein und sich ab und zu unbeliebt zu machen. Dr. Dr. Zitzmann hat Überlegtheit und Weitblick gleichermaßen ausgezeichnet", formulierte Burkhardt und rühmte anschließend Heinz Schmeißner für den Entschluß, das alte Nürnberg zu erhalten und in die neue Entwicklung einzubetten, Baudenkmäler nicht allein zu erhalten, sondern sie in ihrer städtebaulichen Wirkung darzustellen. "Die Bürokratie in Ansbach hat sich stets gerne Ihrem überzeugenden Auftreten gebeugt": dieses Wort hört man nicht alle Tage von einem Regierungspräsidenten.

Geziemend bedankte sich der scheidende Baureferent in seinem und seines Kollegen Dr. Zitzmann Namen. Das Vertrauen, das ihnen der Rat entgegengebracht habe, und die fähigen Mitarbeiter hätten sie in ihrer Arbeit beflügelt.

Daran hängte Schmeißner eine Übersicht über die gemeinsame Leistung, die Stadtrat und Stadtverwaltung in den vergangenen zwei Jahrzehnten vollbracht haben: Kostproben aus der Geschichte des Wiederaufbaus, die – seiner Meinung nach – eines Tages noch geschrieben werden muß.

Der Report enthielt die Hochwasser-Freilegung der Innenstadt, die in unseren Tagen mit dem Wöhrder See vollendet wird, ebenso wie den Ausbau verkehrsreicher Plätze, den Bau des Flughafens wie der Meistersingerhalle und den Startschuß für den U-Bahn-Bau. Und am Ende seiner Dienstzeit dankte der Baureferent, daß einstmals nicht der Stadtgraben mit dem Trümmerschutt eingeebnet wurde und der Plan, einen Burgbergtunnel zu bauen, auf dem Papier geblieben ist. "Was eine solche Rennbahn, ohne daß wir etwas hätten machen können, für Verkehr in die Altstadt gezogen hätte ..."

Seine Bilanz enthielt aber auch Projekte, die trotz aller Liebesmüh noch nicht angepackt werden konnten. Die Bebauung des Geländes zwischen Königstor und Gewerbemuseum gehörte in diese Liste, der Ausbau des Alten Rathaussaales, der Generalverkehrsplan und die Neugestaltung der kleinen Insel Schütt, auf die das Studentenhaus für die 6. Fakultät zu stehen kommen soll.

Das Fazit: der Nachfolger Otto Peter Görl hat alle Hände voll zu tun, will er die vielen Pläne in die Tat umsetzen. Böse Zungen behaupteten gestern sogar, einige der schönen Vorhaben könnte auch Otto Görl noch anführen, wenn er seinen Abschied nimmt.

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