Aktiv in Nürnberg: Gustav mischt sich ein

23.9.2020, 18:45 Uhr
Aktiv in Nürnberg: Gustav mischt sich ein

© Foto: Claudia Wunder

Anne Aichinger (62), Jutta Geier (61) und Geli Schmidbauer (56) sitzen im Außenbereich von Kriemhildes Backwut. Sie beratschlagen, überlegen, planen, verteilen Aufgaben, diskutieren. Ein älterer Mann geht vorbei, erblickt das Trio, grüßt freudig und ruft ihnen zu: "Am meisten vermisse ich natürlich Sie – aber an zweiter Stelle die Käsesahnetorte." Die drei Angesprochenen vom Südstadt-Verein Gustav e. V. freut das natürlich, es zeigt aber auch ihr Dilemma. Denn bis zum Corona-Lockdown haben die Ehrenamtlichen des Vereins sonntags hier Brötchen, Hörnchen – und eben Käsesahne – verkauft.

Die Kooperation mit dem Bäckerei-Café besteht seit gut zwei Jahren. Auf der Suche nach Räumen für den als Stadtteiltreff angedachten Verein kamen Aichinger und ihre Mitstreiter schnell auf den Eckladen in der Wodanstraße 70. Das Geschäft an prominenter Stelle stand aufgrund der Insolvenz von Vormieter Entner leer.

Johannes Schwarz von Hildes Backwut war bereits als Interessent vorgemerkt – fand aber die Idee eines Stadtteilvereins sofort klasse und hatte sogleich einen Vorschlag parat: Der Verein Gustav übernimmt den Sonntagsverkauf und darf im Gegenzug die Räume unentgeltlich nutzen.

"Wir haben fleißig bei der Renovierung mit angepackt, durften auch bei der Farbgestaltung mitreden", erzählt Geier. Nach einer Produktschulung (Wie schokoliert man Apfeltaschen? Wie funktioniert die Siebträger-Kaffeemaschine? Was kosten welche Brötchen?) ging‘s tatsächlich los.

Ein festes Team aus acht Ehrenamtlichen stemmte den Sonntagsbetrieb in dem Café, verkaufte Rumbomben, Plunder, Brot und Cappuccino. Bis Corona kam. "Für uns war der Brötchenverkauf auch eine tolle Möglichkeit, um mit den Leuten aus dem Quartier ungezwungen in Kontakt zu kommen, den Verein und unsere Ziele vorzustellen", sagt Aichinger.

Um zu verdeutlichen, was das Anliegen ist, bedarf es keiner großen Worte. Geier legt eine Fotoreihe von verlassenen, zum Teil heruntergekommenen Läden in der Wodanstraße auf den Tisch: "Die Tristesse der Leerstände", sagt sie nur. Denn das liegt den Ehrenamtlichen am Herzen: die Belebung der Wodanstraße.

"Für mich eine der schönsten Straßen in Nürnberg, sie hat ja geradezu Boulevard-Charakter", findet die gebürtige Stuttgarterin Aichinger. "Wir verstehen uns durchaus auch als politischer Verein und setzen uns zum Beispiel für eine würdige Umgestaltung des Platzes der Opfer des Faschismus ein", sagt Geier.

Oder für die Ehrenamtlichen selbst. In ihrem Schaukasten an der Rankestraße hängt nicht nur das Programm mit Veranstaltungen, Führungen, Wanderungen aus. "Wir suchen händeringend Jobs für einige unserer Ehrenamtlichen", sagt Schmidbauer.

Aus den sieben Gründungsmitgliedern sind mittlerweile 45 geworden – und das kann gerne so weitergehen. "Wenn der Sonntagsverkauf wieder startet, trete ich eurem Verein auch bei", verspricht der ältere Mann. Er wäre Nummer 46 – und dürfte endlich auch wieder sonntags seine Käsesahne genießen.

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