13. März 1971: 200 Meter tief im Hasenbuck

13.3.2021, 07:00 Uhr
13. März 1971: 200 Meter tief im Hasenbuck

© Contino

Seinen Namen bekam das Projekt von der weltlichen Vertreterin der himmlischen Schutzpatronin, Helga Müller. Die Frau von Baudirektor Friedemann Müller hatte die erste Zündung ausgelöst. Trotz einer erzwungenen Pause wegen eines Defektes an der „Hobelmaschine“ laufen die bergmännischen Arbeiten termingerecht. Der Zeitverlust ist inzwischen aufgeholt worden, so daß es bei der vorgesehenen Bauzeit bleiben kann: bis zum Dezember dieses Jahres soll der Tunnel bereits fertiggestellt sein.

13. März 1971: 200 Meter tief im Hasenbuck

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„Es führt kein anderer Weg nach Küßnacht!“ Mit dem Tell-Zitat schickt Bauleiter Helmut Rucker mit gelbem Schutzhelm die Besucher in den verschlammten Hohlweg zum Eingang des U-Bahn-Tunnels am Hasenbuck. Ihnen hat man rote Helme verpaßt. Jedermann ist gewarnt: „Achtung, dort kommen unberechenbare Unbedarfte!“

Vor dem riesigen Loch (über 70 Quadratmeter) liegt die Frage nahe: „Bittschön, sind wir auf dem richtigen Weg zum Hades?“ Es wäre der falsche. Von hier aus geht es mit vier Prozent Gefälle in Richtung Katzwanger Straße.

Zur linken Hand lagern Stahlstäbe, zwischen zwei und sechs Meter lang. „Anker, mit denen nach einer Sprengung das Gestein über den Köpfen befestigt wird“, erklärt Friedemann Müller, Baudirektor und Chef des U-Bahn-Bauamtes. Sein Helm ist weiß. Die Amtsfarbe des Beamten sozusagen.

An den grob geschrämmten Wänden lassen sich geologische Studien treiben. Lehrfächer Keuper und Sandstein unter besonderer Berücksichtigung von Lehmeinlagerungen, die eigens mit Baustahl befestigt werden müssen.

Kabel und Leitungen laufen in den Berg hinein: für Elektrizität, für Wasser und für Kompressorluft. Unter der Decke hängt eine Rohrschlange zur Be- und Entlüftung. Irgendwo dort oben surrt ein Ventilator so laut, als würde er im nächsten Moment „durchgehen“. Auf der Tunnelsohle liegen Erdhaufen, für den Abtransport deponiert.

Ein Stück weiter arbeiten Männer auf österreichisch. Die Methode aus dem Nachbarland: Beton und Wasser werden getrennt zugeleitet, erst in einer Düse gemischt und zur Sicherung des Tunnels aufgespritzt. Bei 4,5 atü empfiehlt es sich nicht, die Hand hinzuhalten. Auf dieses erste Betonkorsett kommt später eine Bitumen-Isolierung. Erst dann wird die tragende Innenschale betoniert.

13. März 1971: 200 Meter tief im Hasenbuck

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Gleich daneben glättet eine überdimensionale Hobelmaschine die Wände. Der stachlige Kopf wird über eine Kette angetrieben, die sich als schwächste Stelle entpuppt hat. Nach zehn Stunden Sandsteineinsatz war sie ausgeleiert. Ein Vorratslager für Ketten war nötig. „Jetzt bauen wir einen abgekapselten Kardanantrieb ein“. sagt Helmut Rucker, dessen Männer 12-Stunden-Schichten gehen. Auf der Baustelle herrscht Betrieb rund um die Uhr.

Sprengungen von 6 bis 22 Uhr

Helles Scheinwerferlicht, rote Schluß- und gelbe Blinkleuchten: hier wird das Material verladen, das gerade aus dem Berg gebrochen wurde. Die Motoren der Lastwagen brummen im engen Gewölbe um die Wette mit der Maschine des Schaufelladers. Aber das ist garnichts, gemessen an dem Heidenspektakel „vor Ort“, 200 Meter vom Tunneleingang weg. Mit Preßlufthämmern werden die Sprenglöcher in die Erde getrieben. Die Arbeiter haben sich die Ohren verstopft.

Die Männer arbeiten in zwei Richtungen: vorwärts zur Innenstadt, und wenn sie da ein Stück vorangekommen sind, auch abwärts, um die Tunnelsohle tiefer zu legen. Zwischen morgens sechs Uhr und abends 22 Uhr gibt es Detonationen. Sechs Meter beträgt die normale Tagesleistung. Der Rekord liegt bei acht Meter.

Die Spezialisten gehen dabei mit einem bewundernswerten Fingerspitzengefühl zu Werke. Sie haben inzwischen die richtige Sprengstoff-Dosierung gefunden, um das Profil bis auf Zentimeter genau herauszuschießen. Der Resenhobel braucht deshalb keine große Arbeit mehr zu leisten.

„Rundungen, erstklassig. Da gibt‘s garnichts.“ Friedemann Müller schwärmt nicht von einer kurvenreichen Miß-Schönheit. Drunten im Tunnel unter dem Hasenbuck hat er nur Augen für die Maßarbeit des Sprengmeisters, die er noch bis Juni bewundern kann. Bis dorthin soll der Durchbruch gelungen sein.

Ein Laserstrahl unter der Decke gibt die Richtung an, damit die Bauarbeiter am Ende nicht 20 Meter westlich vom vorgesehenen Punkt herauskommen. Rot wie der berühmte Faden ist sein Licht.

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