Ein roter Steinteppich für die Fahrgäste der U3

15.4.2011, 19:48 Uhr
Ein roter Steinteppich für die Fahrgäste der U3

© Harald Sippel

Das Team Claus Mertenbacher (Stößlein Architekten, jetzt stm°architekten) und Künstler Peter Kampehl hatten die Aufgabe, die neue Station der U-Bahnlinie 3 am Friedrich-Ebert-Platz zu gestalten. Jetzt werden die Pläne umgesetzt.

Ein jahrelanger Weg liegt hinter ihnen. Dutzende Skizzen, Pläne, Entwürfe, Konzeptstudien und Modelle wurden entwickelt. Nun bringen die Handwerker der unterirdischen Baustelle alles an Wände, Boden und Decke, was Prof. Michael Stößlein, Claus Mertenbacher und Peter Kampehl in Teamarbeit erschufen. Architekt Stößlein und Künstler Kampehl hatten bereits eine Schule in Eckental mit „farbigem Licht“ erfolgreich inszeniert und wussten deshalb, dass sie sich auf der gleichen Wellenlänge befinden. Deshalb bewarben sie sich gemeinsam bei der Stadt Nürnberg um die Gestaltung des U-Bahnhofs Friedrich-Ebert-Platz. „Schnell war klar, dass wir kein Porträt des Sozialdemokraten Ebert als Wandgestaltung umsetzen wollten“, erinnert sich Kampehl. „Diese erzählerische Idee war bereits durch den Rathenauplatz besetzt, ebenso ähnliche Konzepte wie die Goethesprüche am Maxfeld. Wir wollten etwas ganz Neues schaffen, das Thema abstrakt lösen.“

Erste Entwürfe gingen in Richtung anno 1900, weil dieser Stil die Bebauung des Platzes noch heute prägt. „Inspirationen aus Samttapete mit Gold und Lüster-Beleuchtung waren unsere Ideengeber“, erzählt Mertenbacher. Aber der Jahrhundertwendeplatz ist heute vom Verkehr durchschnitten und in seiner Ursprünglichkeit nicht erhalten. Eine Gestaltungsidee mittels Hochleistungs-Neonröhren, die den Bahnhof in indirektes Licht tauchen sollten, fiel ebenfalls durchs Raster. Der Funkkontakt zu den automatischen Zügen wäre gestört worden.

„Mein persönlicher Favorit waren Federstahl-Metallbänder in verschiedenen Längen, die mittig mit Schrauben an der Wand befestigt werden sollten. Durch den Luftstrom der U-Bahnzüge wären sie in Schwingung geraten und hätten die Wand optisch und akustisch in Bewegung gebracht, wie ein Flügelflattern“, schwärmt Kampehl. Doch diese Idee scheiterte. Einerseits wegen Sicherheitsbedenken an der Konstruktion, so hätten Bohrungen den Bewehrungsstahl beschädigen können, aber auch am Zweifel an der akustischen Auswirkung.

Bei einem U-Bahnhof ist die Gestaltungsfreiheit ohnehin eingeschränkt. Das Betonkastenbauwerk mit Fahrgast-Verteilebene, Zugängen zur Straße sowie der Standort des Aufzugs (wegen eines künftigen Stadtbahnhofs darunter) waren vorgegeben. Kunst am Bau darf keine Mehrkosten verursachen, jedes Gestaltungselement muss einen praktischen Nutzen aufweisen, damit die Finanzzuschüsse des Staates fließen können.

„Die Entwurfsplanungen wurden Baureferat und VAG vorgestellt. Auch der Baukunstbeirat hatte die Unterlagen eingesehen. Dessen Tipps haben wir gerne als Hilfestellung angenommen,“ erzählt Mertenbacher. Die Reduzierung der Vision auf die Komponenten Farbe Rot, Deckenlamellen und Wandstruktur war die Lösung. Rot, politisch symbolisch für den Sozialdemokraten Friedrich Ebert. In das Verteilergeschoss wird ein „roter Läufer“ integriert, der sich als „gespachtelte Spiegelung“ auch an der Decke reflektiert, der Bahnsteigboden bekommt einen roten Belag.

„Ziel war es, im flachen breiten Raum unterhalb der Straße eine Mitte zu schaffen. In der Grundidee waren auch die Treppenaufgänge einbezogen, um die Zugänge optisch zu betonen. Die Stufen selbst konnten leider von der Firma nicht in Rot ausgeführt werden“, erzählt Mertenbacher. „Ständige Farbmisch-Tests für den Bodenbelag haben den Mitarbeitern viel Schweiß abverlangt, bis überhaupt die richtige Farbe gefunden war.“ Die abgehängten Deckenlamellen über den Gleisen tragen die Beleuchtungsbänder für den Bahnsteig und wirken gleichzeitig schallschluckend.

Für die Wandgestaltung entwickelte Künstler Kampehl ein System aus vier Modulen in unterschiedlichen Längen von 22, 19, 16 und 14 Zentimetern bei gleicher Breite und gleicher Höhe aus leichten Glasgranulatplatten. Abwechselnd nach Gefühlsprinzip verarbeitet, erzeugen diese eine Fries-Struktur in scheinbarer Bewegung, einen optischen Tanz im Rhythmus der Zufälligkeiten. 850 Quadratmeter geforderter Schallschutz, normalerweise an der Decke angebracht, wurden auf diese Weise wandgestaltend verbaut. „Die Räumlichkeit entsteht durch den Schattenwurf der Bahnhofsbeleuchtung. Dieses Gitternetz wirkt dann wie ein Relief“, meint Kampehl. Die komplette Struktur hat er als 1:10-Modell für 180 Meter Länge gebaut, damit es digital und verzerrungsfrei abfotografiert und mittels Computer in den Bauplan eingebracht werden konnte.

Der Fliesenleger projiziert für seine praktische Ausführung den Plan wiederum an die Wand, in einer Ausführungshöhe von drei Metern. Rote Module auf weißem Grund hätten es ursprünglich werden sollen. Durch eine weiße Betonlasur hätte der Kleber aber kein dauerhaftes Resultat erzeugt, und rot auf grau wäre zu dunkel und unharmonisch geworden. „Viele Tests führten schließlich zu einer Alternative in Orange“, erzählt Mertenbacher. „Und der besondere Clou dabei ist, dass auf die Länge des Bahnhofs betrachtet die Gitternetzstruktur verwischt und insgesamt als rote Farbfläche wahrgenommen wird.“ Die Eröffnung des neuen U3 Abschnittes ist Ende des Jahres 2011.

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