Udo Jürgens reißt Fans in Nürnberg von den Sitzen

26.11.2014, 11:50 Uhr
Eine Lektion in Sachen Lässigkeit vom großen Entertainer Udo Jürgens - das gab es am Samstag in der Nürnberger Arena.

© Roland Fengler Eine Lektion in Sachen Lässigkeit vom großen Entertainer Udo Jürgens - das gab es am Samstag in der Nürnberger Arena.

Die Geschichte von Udo Jürgens und der Wahrnehmung durch die breite Masse ist eine Geschichte voller Missverständnisse: Schlagersänger haben sie ihn genannt. Doch Schlagersänger war er nie. Wer das jetzt, wo der in Klagenfurt geborene Österreicher 80 Jahre alt ist, noch nicht kapiert hat, dem ist auch nicht mehr zu helfen.

Zu den Anfangstönen von "Aber bitte mit Sahne", einem seiner größten Hits, schreitet Udo Jürgens auf die Bühne, die Fans reißt es von ihren Sitzen: Und der Bejubelte wundert sich. „Warum gerade jetzt so viele Menschen wie noch nie zu meinen Konzerten kommen, kann ich nicht erklären. Ich kann es nur fühlen.“

Er wird in der ersten Hälfte des Programms noch viel reden, dafür aber keinen seiner Mitklatsch-Klassiker spielen - „wo kämen wir denn da hin, da wären wir doch nach einer halben Stunde fertig, wenn ich die alle jetzt schon bringe.“

Das, was der Sänger, Pianist und Komponist vor der Pause des insgesamt dreistündigen Abends mit dem absolut großartigen Pepe Lienhard Orchester abliefert, kommt aus dem tiefsten Herzen. So fühlt es sich wenigstens an, wenn man diesem Künstler zusieht, der seine Musik mit einer unnachahmlichen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Lässigkeit betreibt. Da steht nichts mit Schlager, nichts mit Schunkeln auf der Agenda.

Udo Jürgens demonstriert vielmehr, wie vielschichtig, anspruchsvoll und abseits von gängigen Songstrukturen er komponiert.  Sehr vieles aus dem aktuellen Album „Mitten im Leben“  steht auf dem Programm: Augenzwinkerndes wie „Der Mann ist das Problem“, zeitkritisches wie „Der gläserne Mensch“, ein Kommentar zu Datenschutz und Abhörskandal, garniert mit einem E-Gitarren-Solo von Oliver Keller. Aber auch ältere Songs wie das rührende „Der gekaufte Drachen“, quasi  eine deutschsprachige Variante von „Cats in the Cradle“ über einen Vater, der nicht genügend für seinen Sohn da ist. Weibliche stimmliche Unterstützung holt er sich mit Dorothea Lorene und Stefanie Suhner an die Seite.

Bevor die zweite Hälfte beginnt, setzt er mit dem epischen, ursprünglich mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan aufgenommenen „Krone der Schöpfung“ noch einen sinfonischen Punkt, der es in sich hat.

Und dann, nach der Pause, hat Udo Jürgens, der sich Sorgen macht in diesen unsicheren Zeiten, genug geplaudert und über den Zustand der Welt und der Menschheit sinniert. Die Party beginnt, wenngleich der  Musiker mit einem entschleunigten, erst zum Schluss hin aufdrehenden „Griechischer Wein“ erst noch mal auf die Bremse tritt. Seine Hits verpackt Udo Jürgens meist in Medleys. Er weiß, was die Fans, die dann auch alsbald nach vorne stürmen, wollen und verdienen – was ihn wirklich ausmacht, das hat er in den ersten eineinviertel Stunden eindrucksvoll gezeigt.

Es bleibt noch Zeit, vom Nürnberger Christkindlesmarkt zu erzählen, den er auf einer Single aus den 70ern aus Versehen Christkindlmarkt nannte und daher 100.000 Schallplatten einstampfen musste, „Merry Christmas allerseits“ zu wünschen, den unvermeidlichen Bademantel überzuziehen und noch ein bisschen „Merci, Chérie“ solo am Flügel zu spielen. Mit dem nachdenklichen, neuen Lied „Zehn nach elf“ über die Einsamkeit des Künstlers nach dem Applaus entlässt er sein Publikum in die Nacht – glücklich, vermutlich. Und das zu Recht.

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