Fürth im Jahr 1939: Schulsport mit Handgranaten
27.02.2018, 16:00 UhrDie vom Fürther Städtebilderverlag herausgebrachte Fotobandreihe knüpft an die geschriebenen Chroniken früherer Epochen an. Beleuchtet wird die Gegenwart in allen Facetten. Gerd Kuntermann, der schon für viele Bände der Bilderchronik verantwortlich zeichnete, hat erneut das Leben in seiner ganzen Bandbreite unter die Lupe genommen.
Mit Kriegsbeginn am 1. September kam die Rationierung nicht nur von Lebensmitteln auf. Textilien gab es nur noch über die Reichskleiderkarte. Gaststätten mussten an zwei Wochentagen ausschließlich fleischlose Gerichte anbieten. Verdunkelungsübungen und die Beschränkung des Autoverkehrs auf kriegsnotwendige Fahrten unterstrichen den Ausnahmezustand. Seit der Pogromnacht am 9. November 1938 griff die Judenverfolgung um sich. Jüdische Firmen wurden reihenweise enteignet. Viele große und kleine Unternehmen profitierten davon.
Akuter Lehrermangel prägte das Schulleben. Die durchschnittliche Klassenstärke in Volksschulen betrug 42 Kinder. Der tägliche Unterricht wurde auf zwei bis drei Stunden gekürzt, da viele Lehrer zwei Klassen nacheinander betreuen musste. Täglich 1190 Jungen und Mädchen wurden mit Schulspeisung versorgt. Militärischer Drill prägte den Sportunterricht. Zu den Disziplinen der Sportfeste für Gymnasiasten gehörte der Handgranatenweitwurf.
Rattenkrieg ausgerufen
Während der Fasching erneut eine triste Angelegenheit war, kam Hochstimmung am 26. Februar auf, als im Geismannsaal der Pokulator wieder ausgeschenkt wurde. Im Frühjahr bereits wurde in Fürth der "Rattenkrieg" ausgerufen. Alle Hausbesitzer waren aufgefordert, Rattengift auszulegen. Vier Tage lang mussten die Haustieren zur eigenen Sicherheit eingesperrt bleiben. Jubelnd empfangen wurden am 7. Juni die Soldaten der Fürther Flak aus der Legion Condor, die seit 1936 im spanischen Bürgerkrieg gekämpft hatten. Und überall Hitlerreden: zu Hause, am Arbeitsplatz und aus Lautsprechern der Radiogeschäfte. Die Läden blieben während der Reden geschlossen.
Zwar wurde die Fürther Kirchweih abgesagt, Theater und Kino unterlagen als "kulturelle Waffen" hingegen keiner Beschränkung. Gespenstisch ging es auf der Straße zu. Um feindlichen Flugzeugen keine Angriffspunkte zu bieten, fuhren die Buslinien mit Abblendkappen über den Frontscheinwerfern und rot erleuchteten Ziffern.
Auch Personenwagen mussten mit Abblendlicht fahren. Damit es bei dem Schummerlicht keine Unfälle gab, hatte man die Gehsteigkanten in Kurven weiß gestrichen. Da keine Straßenbeleuchtung brannte, waren Fußgänger mit Taschenlampen unterwegs.
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