27. April 1969: Vor neuem Beginnen

27.4.2019, 10:13 Uhr
27. April 1969: Vor neuem Beginnen

© Bauer

Am Sonntag findet um 20 Uhr in der Meistersingerhalle ein Konzert statt, zu dem mit Bundesgesundheitsminister Käte Strobel, Staatsminister Dr. Fritz Pirkl und Oberbürgermeister Dr. Andreas Urschlechter prominente Gäste erwartet werden. Am 25. Oktober folgt ein gesellschaftliches Ereignis, ein großer Ball in der Meistersingerhalle. Dazwischen liegt das Gründungsdatum am 15. September 1819.

Ein Straßenname erinnert noch an den Mann, von dem die Initiative ausgegangen war: Dr. h. c. Hans Jakob Weidenkeller, der 1851 gestorben ist und auf dem Friedhof von St. Peter begraben liegt. Zwangsläufig muß sich ein Chronist mit dieser Persönlichkeit beschäftigen, die an der Schwelle der Industrie-Entwicklung einen Verein aus der Taufe hob, der zunächst zur Förderung der Landwirtschaft gedacht war. Der Veterinär und Gutsbesitzer Weidenkeller ging selbst mit gutem Beispiel voran. Mit Einrichtungen wie die Erziehungsanstalt für die Kinder verarmter Bauern oder „Armenkolonie-Anstalt“ des Industrie- und Kulturvereins – einem Vorläufer der „Schrebergärten“ – versuchte er der Probleme Herr zu werden.

Staat übernahm Aufgaben

Kein Wunder, daß sich bei seiner Aktivität bald ein ganzer Konzern von Gründungen entwickelte, allesamt mit sozialem Hintergrund: eine Ausleihanstalt gab in Not geratenen Bauern und Handwerkern Darlehen zu niedrigem Zins, eine Wohltätigkeitsanstalt verteilte Lebensmittel und Geld, oder – um nur einige zu nennen – die Witwen- und Waisen-Pensionsanstalt, die Bedürftigen unter die Arme griff.

In dem Maß aber, in dem der Staat soziale Aufgaben übernahm, caritative Verbände und politische Parteien sich um das Gemeinwohl kümmerten, wandelte sich auch die Arbeit des Industrie- und Kulturvereins, der sich – ein zweiter Abschnitt in seiner Geschichte – immer mehr auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben konzentrierte.

Übrig war der finanzielle Grundstock geblieben, erstanden aus der Idee von Hans Jakob Weidenkeller, den armen Mitbürgern ein Stück Land zur Verfügung zu stellen. Denn die großen, vom Verein zwar unter Opfern, im Grunde aber billig erworbenen Brachflächen vor der Stadtumwallung wurden allmählich zum begehrten Bauland.

Mit diesem Besitz im Hintergrund konnte der Industrie- und Kulturverein als Ersatz für das 1928 entstandene Haus an der Sandstraße am Frauentorgraben einen repräsentativen Neubau errichten, der 1905 eingeweiht, im zweiten Weltkrieg zerstört und vor wenigen Monaten abgerissen wurde. Gerade an dieses Haus – jetzt errichtet die AOK Mittelfranken an diesem Platz ihr neues Gebäude – knüpfen sich bei den Nürnberger Erinnerungen an manch großes Fest, manchen Glanzpunkt im kulturellen Leben der Stadt.

Schon neue Impulse

Zwar hat der Verein 1950 noch einmal den unglücklichen Versuch unternommen, den Komplex wieder aufzubauen, ehe 1966 endgültig ein Schlußstrich gezogen und das Gelände veräußert wurde. Am Ende des 150 Jahre währenden Abschnitts wurde zugleich der Grundstein für ein neues Beginnen gelegt. Mit Dr. Hanns Lottes als erstem Vorsitzenden geht der Verein daran, nach dem Kauf von Gelände im Stadtpark samt dem Restaurant für rund fünf Millionen Mark ein neues Zentrum im Norden Nürnbergs zu schaffen – gleichsam so etwas wie die kleinere Ausgabe der Meistersingerhalle im Süden.

Auch das Vereinsleben hat bereits Impulse erhalten, beispielsweise durch die Gründung eines Chores. Daneben bahnt sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Germanischen Nationalmuseum und der Naturhistorischen Gesellschaft an. Zusammen mit der Albrecht-Dürer-Gesellschaft und der Stadt Nürnberg wurde ein „Institut für moderne Kunst“ gegründet. Für den 1. Vorsitzenden Dr. Hanns Lottes bedeuten diese Erfolge keinen Grund zum Ausruhen. „Zuerst brauchen wir den Bau mit dem 350 Quadratmeter großen Saal. Dann können wir weitere Pläne ausarbeiten und in die Tat umsetzen“, erklärt er.

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