17. Mai 1969: Mit der Kongreßhalle weiterleben

17.5.2019, 07:00 Uhr
17. Mai 1969: Mit der Kongreßhalle weiterleben

© Ulrich

Rund eine Million Mark will die Stadt investieren, damit alle Geschosse als Lagerräume "zweckentfremdet" werden können. In diese Summe eingeschlossen ist der Bau eines zweiten Lastenaufzugs in der Mittelachse des Rundbaues. Allein 852.600 DM kostet das wartungsfreie wetterfeste Dach: 400 laufende Meter Profilaluminium.

Bisher nahm die Stadt jährlich rund 400.000 DM von ihren zehn Kongreßhallemietern ein. Bei diesem Betrag wäre es sicherlich auch geblieben, wenn nicht das Liegenschaftsamt hellhörig geworden wäre. Eine Firma drohte mit der Kündigung, wenn nicht bald die Halle überdacht wird. Ihr Lagergut stand nach Regenfällen teilweise völlig im Wasser.

17. Mai 1969: Mit der Kongreßhalle weiterleben

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Das leidige Thema Kongreßhalle kam damit erneut ins Gespräch. Eingehend beschäftigen sich die Mitglieder des Bauausschusses mit dem weiteren Schicksal des Erbes aus der NS-Zeit. Das Geld gab den Ausschlag. Denn schließlich kann die Stadt pro Jahr weit mehr als 400.000 DM einnehmen, wenn sie den einmaligen Betrag von 852.600 DM für das Dach und 280.700 DM für den Aufzug aufbringt.

Auch andere Firmen werden sich dann für die noch leerstehenden Räume interessieren. Bisher werden über 20.000 Quadratmeter genutzt, die Kongreßhalle hat jedoch über 34.000 zu bieten. Wenn das Plenum die benötigten Mittel bewilligt, wird der Torso bis Ende des Jahres wasserdicht sein.

Vor zwei Jahren waren auf Wunsch des Theaterbetriebsamtes, das seine Kulissen im Erdgeschoß lagert, 80 laufende Meter des Rundbaues mit Profilaluminium überdacht werden. Die empfindlichen Requisiten vertrugen keine Feuchtigkeit. Diese Maßnahme kam auch teilweise den Mietern im ersten und zweiten Obergeschoß zugute. Nach der Überdachung könnten die fünf Geschosse (einschließlich Keller- und Dachgeschoß) genutzt werden. Die letzte Etage ist allerdings in einem sehr schlechten Zustand. Hauptmieter sind dort zur Zeit die Tauben.

Unbedingt benötigt wird auch der zweite Lastenaufzug. Der bisherige ist nicht nur wegen seiner ungünstigen Lage am Anfang des sogenannten nördlichen Rundbaues wirtschaftlich unrationell. Zum anderen muß er regelmäßig überprüft werden. Fällt er einmal aus, wird der tägliche Materialfluß der Firmen gestoppt. "Die Folgen wären nicht abzusehen", meint Ernst Maier, Verwalter des Liegenschaftsamtes. "Es ist längst einmal an der Zeit, diesen Aufzug vier Wochen lang für die Wartung stillzulegen."

Wieviel die Stadt im nächsten Jahr aus der Kongreßhalle „herausholen“ kann, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall wird die Gesamtmieteinnahme den Betrag von 600.000 DM übersteigen. "Eine Goldgrube wird der Torso jedoch nie", versichert Wirtschaftsreferent Dr. Wilhelm Doni.

Die Entscheidung im Bauausschuß hat erneut eine Debatte über den Baukoloß ausgelöst. Am Ende der Sitzungsperiode wollen die Stadträte die Kongreßhalle besichtigen, die Schäden feststellen und prüfen, welche Verbesserungen noch möglich sind. Die Devise heißt jetzt "Mit der Kongreßhalle leben". Noch vor wenigen Jahren war ernsthaft erwogen worden, das unliebsame Erbstück kurzerhand in die Luft zu jagen. Doch dafür hätte Nürnberg 14 Millionen ausgeben müssen.

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