Verschwundene Heidi D.: Familie gibt die Hoffnung nicht auf

18.11.2019, 06:13 Uhr
Verschwundene Heidi D.: Familie gibt die Hoffnung nicht auf

© Foto: Stefan Hippel

Sie macht sich schwere Vorwürfe, seit sechs Jahren. Hätte sie doch gleich zurückgerufen. Es ist Dienstag, der 12. November 2013. Um 18.17 Uhr hatte das Handy geklingelt. Petra Prado ist zu diesem Zeitpunkt in der Arbeit und bekommt den Anruf nicht mit. Später versucht es die 54-Jährige doch bei ihrer Schwester Heidi Dannhäuser. Der Anruf geht ins Leere, niemand hebt ab. "Das bedrückt mich heute noch sehr, vielleicht hätte ich verhindern können, was dann geschah", sagt die Münchnerin gegenüber der Nürnberger Nachrichten.

Was dann geschah: Der nächste Anruf aus Fischbach geht bei Prado am Freitag ein. Es ist Heidis Lebensgefährte Alfons T. "Er fragt mich, wo Heidi ist und erzählt, was los ist." Die Postbotin ist wie vom Erdboden verschwunden. Am Donnerstag, 14. November 2013, soll sie zum Joggen gegangen sein – und kommt nicht zurück. T. sei bei der Polizei gewesen. Da habe man ihm gesagt, dass eine aktive Suche der Polizei erst nach 48 Stunden in Gang komme.

Tot oder lebendig

Bei der Polizei heißt es in so einem Fall: "Es steht jedem Erwachsenen frei, wann und wohin er gehen will." Sofern nicht eine Selbstmordabsicht erkennbar ist oder die vermisste Person (psychisch) krank und hilflos ist. Statistisch gesehen tauchen die allermeisten Verschwundenen wieder auf – tot oder lebendig. Am folgenden Dienstag, 19. November 2013, liegt dann ein richterlicher Beschluss für eine öffentliche Fahndung vor. Am Mittwoch tauchen die ersten offiziellen Meldungen in den Zeitungen auf.

Doch Petra Prado wird mit ihren Geschwistern und ihrer Tochter vorher schon selbst aktiv. Am Samstag verfasst und druckt sie Flugblätter, rund 100 Stück. Mit diesem Papier-Stoß macht sich die damals 48-Jährige mit ihrer Tochter auf den Weg nach Nürnberg-Fischbach. Mit dabei haben die beiden Frauen auch den Spürhund der Tochter. Am Sonntag verteilen sie in Fischbach erste Flugblätter. "Wir hatten einen Haargummi von Heidi und ließen den Hund daran schnuppern. Dann gingen wir Heidis Joggingstrecke ab, rund um den Eisweiher." Die Suche ist vergebens, sie finden nichts.

Verschwundene Heidi D.: Familie gibt die Hoffnung nicht auf

© Foto: Alexander Brock

Die Ermittler der Nürnberger Kripo fragen sich unterdessen: Hat sie ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt? Die Tatsache, dass die damals 49-Jährige in Jogging-Kleidung und Sportschuhe schlüpft, um ihre Tour zu laufen, spricht dagegen. Die als fröhlich beschriebene Heidi Dannhäuser hatte zudem Pläne für die Zukunft geschmiedet: Am 24. November 2013 wollte sie ihren runden Geburtstag groß feiern, hatte Gäste eingeladen und Getränke gekauft. Und schließlich sind bis heute keine Überreste der Vermissten gefunden worden.

Keine Kontobewegung

Wollte sie vielleicht ein neues Leben an einem anderen Ort aufbauen? Auch das schlossen die Ermittler der Kripo eher aus. Denn Dannhäuser lässt alle für einen solchen Schritt wichtigen Gegenstände in ihrem Haus an der Pellergasse zurück: Geldbeutel, Personalausweis, Geldautomatenkarte, Krankenkassenkarte und Handy. Außerdem sind auch alle ihre Kleidungsstücke und Koffer daheim, ihr roter Golf steht vor der Haustür. Bis heute gibt es auch keine Kontobewegung.

Bleibt also ein Gewaltverbrechen. Die Polizei sieht bis heute diese Möglichkeit als die wahrscheinlichste an. Die Mordkommission übernimmt die Ermittlungen. In den Fokus gerät Heidis Lebensgefährte, Alfons T. Das Paar hatte sich oft und teils sehr heftig gestritten. Das bestätigt auch Petra Prado: "Eine Woche vor ihrem Verschwinden hab ich zu ihr gesagt: ,Ich hab Angst um Dich‘."

Dannhäuser hatte auf Kontaktanzeigen reagiert, sie suchte aktiv eine Wohnung. Sie beabsichtigte, sich von T. zu trennen. "Sie wolle sich verändern, hat sie zu mir gesagt, als ich sie am 3. Oktober 2013 noch einmal sah. Sie kam nach München und besuchte mich", erinnert sich Petra Prado.

Keine heiße Spur

Die Kripo hatte Anhaltspunkte, dass T. etwas mit dem Verschwinden von Heidi Dannhäuser zu tun haben könnte. Ein Beispiel: Der Lebensgefährte lässt seinen BMW in einer Waschanlage gründlich reinigen – einen Tag nach ihrem Verschwinden. Im Dezember 2017 sendet die TV-Fahndungssendung "Aktenzeichen XY . . . ungelöst" einen Filmbeitrag zum Fall Dannhäuser. Mehr als 30 Hinweise gehen ein, keiner davon führt auf eine heiße Spur. Im März 2018 kommt das Haus mit Grundstück schließlich unter den Hammer. Eine Baufirma aus München ersteigert es, Alfons T. darf noch für eine gewisse Zeit darin zur Miete wohnen. Mittlerweile lebt er woanders.

Der Eigentümerwechsel bietet der Kripo eine nun unverhoffte Gelegenheit: Eine dritte und letzte Durchsuchung des Anwesens, um mögliche Spuren von Heidi Dannhäuser zu finden. Am Montagmorgen, den 14. Mai 2018, halten Beamte dem überraschten T. einen richterlichen Beschluss unter die Nase. Zwei Tage lang stellt ein Großaufgebot Haus, Garage und Garten auf den Kopf. T. darf die Nacht zum Dienstag nicht im Haus verbringen.

Mit einem "Georadar" werden Wände und Böden auf Unregelmäßigkeiten untersucht: Hohlräume, doppelte Böden, Strukturen in der Bausubstanz, die verdächtig sind. Auch "Archaeo-Dogs" werden angefordert. Die ausgebildeten Spürnasen sind speziell auf die Suche nach menschlichen Knochen trainiert. Eingesetzt werden sie üblicherweise zur Suche nach Massengräbern oder nach historischen Begräbnisstätten. Doch Tage später ist auch nach dieser groß angelegten Aktion klar: Von Heidi Dannhäuser gibt es hier keine Spur.

Immer wieder Hinweise

Ist das nun das letzte Kapitel im Fall Dannhäuser? Die Stadtreklame veröffentlicht immer wieder Heidi-Plakate an Buswartehäuschen und anderen Plätzen in Fischbach. Auch ihre Familie gibt nicht auf, sie pflegt seit sechs Jahren regelmäßig eine Internetseite, die der Vermissten gewidmet ist (www.heidi-aus-fischbach-vermisst.de). Ein Engagement, das helfen soll, Heidi zumindest in Gedanken weiter leben zu lassen. "Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich rechne aber täglich mit dem Schlimmsten", sagt Petra Prado.

Und die Polizei? Seit Anfang 2019 gibt es eine spezielle Abteilung für Altfälle (Cold Case) bei der Mordkommission. "Der Vermisstenfall Heidi Dannhäuser ist nach wie vor im Fokus der Ermittler. Es erfolgt laufend ein Abgleich mit aufgefundenen Toten oder Vermissten – auch im Ausland", erklärt Elke Schönwald, Leiterin der Polizeipressestelle in Nürnberg. "Nach wie vor gehen auch Hinweise ein, die fortlaufend abgeklärt werden. Konkrete Anhaltspunkte haben sich aktuell allerdings nicht daraus ergeben."

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